Brands am eigenen Körper zeigen, Fashion Shows besuchen, die neuesten Handtaschen teilen – es ist ein Beruf. Nennen wir es beim Namen: Es geht um Influencer. Veronika Heilbrunner ist Teil dieser Szene. Sie trägt ihre Naturwellen offen über den Rücken, posiert lässig in einem Chanel-Twinset vor einem Heizkörper oder einem Baum in ihrem neuen Pariser Garten. Mal ein zufälliger Schnappschuss mit dem Handy, mal ein Streetstyle-Foto. Veronikas Leben ist Content.
Seit über 15 Jahren ist Heilbrunner in der Modewelt unterwegs. Alles begann als Moderedakteurin. Irgendwann verschob sich der Fokus von Printmedien auf soziale Netzwerke; seit 2010 widmet sich Heilbrunner hauptberuflich ihrem persönlichen Instagram-Account. In dieser Zeit hat sie sich verlobt, Magazinformate mit der Content-Spezialistin Julia Knolle entwickelt, war eine der ersten Deutschen im Netz, wechselte Wohnungen und Länder und ist zweifache Mutter geworden. Ihr Mann Justin O’Shea war Einkäufer bei Mytheresa, wurde vom Spiegel sogar mit Karl Lagerfeld verglichen und war kurzzeitig Chefdesigner bei Brioni, als Kering bei der Auswahl der Designer besonders originell sein wollte. Doch als er einen Sarg ins Schaufenster der Rue Saint-Honoré stellte und Metallica in die Werbekampagne einband, war der Spaß schnell vorbei.
Es gibt viele Lebensläufe wie den der Heilbrunners, auch Jessica Weiß, eine der Blogger-Pionierinnen, hat ihre Familie im Feed und ihren Mann als Backup. Sie teilte ihren Weg ins Erwachsen- und Familienleben über Instagram mit der Welt. Das Zeit-Magazin widmete ihr eine Titelgeschichte, die von vielen als kontrovers angesehen wurde. Doch was tut man, wenn das eigene Leben zum Content wird? Und wenn dieses Leben plötzlich Kinder einschließt? Da dies unsere Familienausgabe ist, wollten wir genauer hinschauen, bei der aus unserer Sicht coolsten deutschen Influencerin, die sich mit ihrem Geschmack und ihrer Herangehensweise deutlich von den übertrieben bemühten Kolleginnen Daur, Adonts und Hanne abhebt. Veronika ist ein gutes Beispiel für all diese Influencerinnen, die vor unseren Augen und mit uns erwachsen geworden sind. Plötzlich werden Kinder Teil des eigenen Profils. Wer je einen Nachmittag auf einem Spielplatz in Berlin-Mitte verbracht hat, bekommt vielleicht eine Vorstellung davon, wie sehr Kinder als Additiv dienen können, um das eigene Leben interessant genug zu gestalten.
Der Spielplatz ist nicht das World Wide Web, und die Frage „Muss das sein?“ bleibt bestehen. Wie zieht man sein Kind gut an? Lässt man es mit geschenkten Waren posieren? Ist das noch Mode oder bereits eine Familien-Lifestyle-Bildwelt, was auch eine interessante Kategorie sein könnte? Und wenn das vermeintlich Private, die Nähe, der vergilbte weiße Heizkörper schon für das Gefühl vermarktet werden, ist das nicht die letzte Konsequenz? Mehr als in allen anderen Formen der Kulturindustrie verschmelzen in den sozialen Medien Werbung und Leben miteinander. Hat man sich einmal auf Konsumismus („Hallo, Kaufen!“), rückwärtsgewandte Rollenbilder („Mode, Food, Beauty – die drei großen Blockbuster-Themen, mit denen Leute als Influencer Geld verdienen“) und meist rigide Körpernormen eingelassen, kommt man nicht so leicht wieder heraus. Veronika geht ihren Weg mit Haltung weiter, hat Chanel als Partner und zeigt hoffentlich weiterhin den mutigen Weg, wie man die nicht mehr selbstbestimmte Öffentlichkeit mit Würde darstellt.
This article first appeared in Achtung Mode Nr. 47