Was steckt hinter SESSION 01?

Ein Gespräch mit Kostas Murkudis und TSATSAS

Esther und Dimitrios Tsatsas stehen hinter der nach ihnen benannten Marke TSATSAS und Kostas Murkudis auch hinter seiner. Während der Berliner Modewoche haben sie ihr gemeinsames Projekt SESSION 01 bei Andreas Murkudis im Laden vorgestellt. Wir finden das so gut, dass wir uns alles genauer angeschaut und nachgefragt haben. Und zu “echoes and extracts” –Die Solo-Ausstellung nur ein paar Häuser weiter im Store 77, die sowohl einen Blick in die Zukunft, als auch auf die letzten 25 Jahre der Kostas Murkudis Eigenmarke wirft. Es gibt also momentan viel zu sehen auf der Potsdamer Straße.

Kostas Murkudis und Andreas Murkudis in ACHTUNG Nr 00. Fotografiert von Gregor Hohenberg im Januar 2003 in Berlin

SESSION 01 von TSATSAS und Kostas Murkudis bei Andreas Murkudis auf der Potsdamer Straße

ACHTUNG: Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?

Esther Tsatsas: Wir wissen schon lange voneinander. Wir folgen uns auch schon seit einiger Zeit auf Instagram, obwohl wir eigentlich keine Social Media Menschen sind.

Kostas Murkudis: Vor zwei Jahren haben wir uns dann bei einem Event in Paris kennengelernt. Und da haben wir ziemlich schnell beschlossen uns auf die Zusammenarbeit zu stürzen.

A: Wieso?

E.T.: Wir haben eigentlich immer gesagt, dass wir durch eine Kollaboration etwas schaffen möchten, was wir nicht alleine tun können. Wir suchen uns Partner, deren Arbeit wir sehr schätzen, die aber auch einen anderen Input mitbringen. Nur so kann etwas Neues entstehen. Wir knien uns alle drei recht tief in die Materie rein und versuchen was Neues raus zu kitzeln.

K.M.: Bei mir war es ganz genauso. Ich bin jetzt nicht wirklich ein Experte was Taschen anbelangt. Aber ich freue mich immer zu lernen und Dinge gemeinsam anzustoßen. Es gibt viele Kollaborationen wo sich einfach zwei Labels zusammenschmeißen und ein lustiges Doppelbranding entsteht. Der Austausch ist aber nicht so profund. Das ist bei uns anders.

E.T.: Wir wollten nie, dass Dimitrios und ich die Taschen machen, Kostas die Mode und wir das dann einfach zusammenwerfen. Wir sind viel freier an das Thema rangegangen und haben alles zusammen entworfen. Alle Teile sind von uns dreien und als Team entstanden.

A: Wie ist TSATSAS entstanden?

Dimitrios Tsatsas: Offiziell gestartet haben wir 2012. Mein Vater ist Feintäschner. Er fertigt seit über 40 Jahren in Offenbach Taschen an, die Stadt ist auch bekannt für ihr Lederhandwerk. Ich bin mit dem Handwerk also großgeworden. Mit TSATSAS haben wir begonnen, weil ich keine Tasche gefunden habe, die meinen Standards entsprochen hat. Ich habe eine moderne Tasche gesucht, die unter den höchsten Standards gefertigt wurde. Das hat dazu geführt, dass Esther und ich eine eigene Tasche entworfen haben.

E.T.: Vielleicht ist es noch wichtig zu erwähnen, dass Dimitrios eigentlich Industriedesign studiert hat und ich Architektin bin – wir haben lange zusammen in einer Design-Agentur gearbeitet und kommen ursprünglich nicht aus der Mode. Wir haben aber durch Dimitrios‘ familiären Hintergrund die Verbindung zu dem Thema Tasche und Leder.

D.T.: Das Überraschende war dann eigentlich das Feedback. Ich habe die erste fertige Tasche dann tatsächlich getragen, meistens auf Designmessen. Wir waren damals noch sehr viel im Möbelsektor unterwegs. Plötzlich haben extrem viele Menschen nach dieser Tasche gefragt. So hat sich dann langsam die Brand um die Ursprungsidee geformt.

A: Gibt es etwas in eurer Herangehensweise oder Designsprache, das euch verbindet?

E.T.: In der Designsprache nicht so, wir haben schon unsere eigenen Sprachen. Aber die Herangehensweise ist ähnlich.

K.M.: Dadurch, dass wir alle drei mit ähnlichen Einflüssen groß geworden sind – Bauhaus, Donald Judd, Kunst minimalistischer oder haptischer Natur, ist da so eine natürliche Nähe zwischen den beiden Unternehmen. Dazu kommt, dass wir auch noch aus einem ähnlichen Kulturkreis kommen. In diesem Falle aufgrund der griechischen Nachnamen unübersehbar. Das war allerdings nicht entscheidend, sondern einfach das i-Tüpfelchen.

A: Gab es für SESSION 01, die erste gemeinsame Produktion, irgendeine bestimmte Inspiration?

K.M.: Wir sind relativ frei rangegangen, wir hatten keinen klaren Plan was da am Ende rauskommt. Wir wussten nur, dass wir zusammen was machen wollten. Es war klar, dass Leder involviert sein würde. Ich habe meine textilen Erfahrungen mit reingebracht. Dann haben wir überlegt, wie wir diese beiden Welten miteinander verknüpfen wollen.

E.T.: Wir sind dann schnell bei der Kombination von Leder und Spitze gelandet. Wir fanden den Kontrast zwischen den beiden Materialien spannend. Auf den ersten Blick würde man diese beiden Materialien nicht unbedingt zusammenbringen.

A: Was hat eure Verarbeitung besonders gemacht?

D.T.: Das entstand in der Phase des Experimentierens. Wir haben viele Versuche gemacht: Wie findet der Übergang zwischen Spitze und Leder statt, wie kommen die Materialien wirklich zusammen? Irgendwann kamen wir auf die Idee, dass man das Leder auf so eine dünne Stärke runterspalten kann, dass man die Spitze dazwischen bonden kann. Wir haben zwei Lagen Leder und die Spitze fließt sozusagen in das Leder mit rein. Durch das Bonden ist die Spitze in dem Leder immer noch sichtbar. Das heißt, es findet ein Übergang statt, man hat keine klare Grenze zwischen den zwei Teilen. Die Methode haben wie vorher noch nie irgendwo gesehen.

SESSION 01 bei Andreas Murkudis

A: Wo produziert ihr?

D.T.: Alle Lederarbeiten machen wir bei uns in der Werkstatt von TSATSAS. Wir haben noch ein Schneideratelier in Frankfurt, da wird die ganze Spitze vorbereitet.

K.M.: Wir sind 100% Made in Germany. Vom ersten Gedanken bis zum Verkauf.

A: Wo wird man die Kollektion überall zu kaufen geben?

E.D.: Hier bei Andreas Murkudis in Berlin. Über unsere Webseite auch. Und über einzelne Händler überall verteilt.

A: Lag es für euch auf der Hand, hier bei Andreas Murkudis zu verkaufen?

K.M.: Die beiden kannten Andreas ja schon und mich kennt er auch schon eine Weile (lächelt). Er war in Paris im Showroom und hat sich die Kollektion angesehen und fand sie schön. Ich hätte es ihm auch nicht angedreht, auch wenn er mein Bruder ist. Er konnte frei drüber entscheiden, ob er unsere Kollektion bei sich verkaufen möchte oder nicht. Er ist sicherlich etwas wohlwollender, aber es gibt, glaub ich, keinen größeren Unterschied. Es muss nur zu seinem Konzept passen. Und zu unserem natürlich. Es gibt eindeutig schlechtere Orte um seine Kollektion zu verkaufen.

A: Noch ein paar Fragen zu „echoes und extracts“ an Kostas. Wo kann man sich die Ausstellung ansehen?

K.M.: Drüben im Gallery Space, im Store 77, den Andreas auch nutzt um Präsentationen zu machen.

A: Aus welchem Zeitraum stammen da die Pieces, die du ausgewählt hast?

K.M.: Es gibt ein Konvolut von 90er Teilen und der Rest sind verteilt über die Jahre 2007 bis 2017.

A: Hast du die Auswahl alleine getroffen oder hattest du Hilfe?

K.M.: Das habe ich alleine gemacht. Hat auch eine ganze Weile gedauert. Die Kollektion die ich in Athen gezeigt habe wird da auch auf Video gezeigt.

A: Hat sich deine Herangehensweise bei deinen Kollektionen über die Jahre geändert?

K.M.: Die Herangehensweise hat sich eigentlich nicht so sehr geändert. Also klar, das Team und die Lebenssituationen haben sich über die Jahre geändert, was sicher einen Einfluss auf meine Arbeit hat. Ich habe in Paris gezeigt, dann in Bologna gelebt und in Mailand gezeigt. Es gab immer wieder territoriale Umstände und das hat sicher einen Einfluss. Die Dinge, die ich in Berlin entworfen habe, mit meinem kleineren Team, sehen auch anders aus. Da kommen auch Einflüsse rein wie Erfahrungen die ich gemacht habe und Menschen die ich getroffen habe. Aber man erkennt schon, dass da ein Zusammenhang entsteht und Dinge sich ein stückweit wiederholen.

“echoes and extracts” im Store 77

A: Kreuzen sich die beruflichen Wege von dir und deinem Bruder öfter?

K.M.: Das letzte Mal, dass wir so intensiv zusammenarbeiten wie grade, war in 2011. Da habe ich zu Ehren der Ladeneröffnung von Andreas Murkudis zum ersten und einzigen Mal eine Schau in Berlin gemacht. Da sind wir dann als Brüderpaar aufgetreten. Zwischendrin gab es immer mal wieder kleine Collabs wie zum Beispiel mit Birkenstock, aber in dieser Form liegt das schon eine Weile zurück. Aber es ist sicher nicht das letzte Mal, dass wir gemeinsam an etwas arbeiten.

A: „echoes and extracts“ soll sowohl ein Blick in die Vergangenheit sein, als auch ein Blick in die Zukunft. Was steht denn als nächstes an?

K.M.: Wir arbeiten auf jeden Fall schon an SESSION 02. Wahrscheinlich wird es auch bald Schmuck geben. Also echten Schmuck. Ich arbeite auch grade mit einer jungen Künstlerin aus Hamburg zusammen, mit der ich ein Textilprojekt im Interior-Bereich mache. Dies und Das, es bleibt auf jeden fall spannend. Ich würde auch in Zukunft gerne noch mehr Bezug auf Griechenland nehmen. Die beiden waren ja da bei meiner letzten Schau dort und es hat so viel Spaß gemacht, dass ich überlegt habe, das vielleicht jedes Jahr zu machen, das ist auf jeden Fall ein heimlicher Traum von mir. Da habe ich echt wieder Blut geleckt und ich fühle mich noch nicht so alt, dass ich jetzt mein Ende feiern will. Deswegen heißt es auch „echoes and extracts“. „echoes“ geht zurück auf die 90er und „extracts“ zeigt, dass es eine Momentaufnahme ist. Ein Zwischenfazit.