Auf Erdbeerkleid folgt Jagdmantel: „Cottagecore“ geht in die winterliche Verlängerung – und macht den Landhaus-Stil auch bei jenen populär, die nie ein Landhaus von innen gesehen haben.

Selten lässt sich ein Trend anhand eines einzelnen Kleidungsstücks erklären. Bei Lirika Matoshis „Strawberry Dress“ aber funktioniert’s: Frucht-Applikationen, Puffärmel und Rüschen, beinahe 43.000 Instagram-Beiträge unter dem Hashtag #strawberrydress – das spricht eine sehr deutliche Sprache. „Cottagecore“ nennt sich ein Trend des Jahres, die kleidgewordene Landpartie, von der Matoshis Entwurf bloß die pure Überspitzung ist.

Mittlerweile trägt zwar niemand mehr das Erdbeer-Kleid, der Sommer ist längst vorbei, der Hype ums rosafarbene Tüll-Design seit vorgestern erloschen. Was bleibt, ist der Trend. Und im Winter kommt „Cottagecore“ offenbar erst so richtig an. Romantik, Nostalgie, ein Bedürfnis nach Natur und Natürlichkeit, all die Sachen eben, die dieses Krisenjahr begehrenswert gemacht hat, werden bleiben. In der Wohnkultur, dem Kosmetik-Bereich, im Insta-Feed – und erst recht im Kleiderschrank.

Nicky Zimmermann geht mit, genauso Tory Burch, das ist keine Überraschung. Traditionell versorgen die New Yorker DesignerInnen eine US-Elite mit der passend gerüschten Garderobe für das Hamptons-Weekend oder die Ferien auf Martha’s Vineyard. Der Look aber – irgendwo zwischen Landhausstil und Hüttenzauber – dringt auch in die Kollektionen jener Designerinnen und Designer vor, denen er zuvor völlig fremd war.

Die Entwürfe Hedi Slimanes etwa hätte man bisher kaum auf Feld und Flur erwartet, für den aktuellen Celine-Winter erdachte er dennoch Volantröcke in Mustermix und Midilänge, Rüschen, Schluppen und Karo-Capes. Wenn Slimane dabei ist, dann ist es amtlich. In eine ähnliche Richtung denkt Natacha Ramsay-Levi, die flatternde Landfrauen-Kleider bei Chloé um derbe Boots und Jagdmäntel ergänzt. Ein wenig abstrakter setzt Jonathan Anderson das Thema um, seine Loewe-Mäntel könnten der Jagdhütte, genauso aber auch der Militärkaserne entnommen sein.

Und auch einer kostümhistorischen „Cottagecore“-Facette widmet sich Anderson: ein schwarzes Kleid mit weißem Kragen und markanten Manschetten erinnert an die Pilgrim-Garderobe, Ähnliches ist auch bei Gucci und Rodarte und Paco Rabanne zu sehen. Vom Erdbeer-Kleid ist das schon eine ganze Ecke weg, die Sprache aber bleibt die selbe: Raus auf’s Land, so schnell wie möglich, und sei’s auch nur garderobentechnisch. Unsere neue Ausgabe macht mit – im Schwarzwald.