Eine Stadt, in der alles zusammenkommt, nichts seinen Platz hat und jede:r seinen Ort findet. Raue Hände, graue Fassaden, süßlicher Duft, Fettgeruch, schalkhaftes Lachen, Einschusslöcher an Häuserfassaden, zärtliche Umarmungen, bombastisches Kirchenglockengeläut, orchestraler Gesang und überwältigende Rufe des Muezzins. Stille ist hier niemals. Kein Ort bringt den Geist der Familie besser zum Ausdruck als Sarajevo. Das Zusammengewürfelte, die Wärme, das Zerrissene, die Hoffnung, die in Familie steckt, steckt auch in Sarajevo. Einer verfeindeten Stadt, einer bekriegten Stadt, einer gebeutelten Stadt, einer vertragenen Stadt, einer lebendigen Stadt. Und all das steckt auch in Sarajka. Wer war Sarajka? Jeden Morgen trank sie ihren Kaffee am Tisch neben ihrem Mann. In absoluter Stille. Sie war Anwältin einer Rockband. Sie war die Starke in der Familie. Selma fühlt noch heute ihre weiche Haut an ihren Fingerspitzen, ihre Haut auf ihrer eigenen, wenn ihre “nena” sie umarmte. Selma hat ihre Erinnerung an sie katalogisiert wie Gefühlsdias. Immer bereit, sie für jemanden hervorzukramen, sie auf jemanden zu projizieren. Sie versucht, “nena” in jeder Frau zu finden. Die Frau, die für sie “nena” war und die Sarajka war. Heute ist Sarajka jemand anderes. Wer sind die Frauen Sarajevos? Wer ist Sarajka? Sarajka ist jede Frau in Sarajevo. Und keine. Lela ist es nicht. “nena” war es. Selma ist es.