Paris mon amour

The French capital will always be the best boutique

„Denise stand noch immer versunken vor der Auslage zu Seiten des Haupteingangs. […] Diese übertraf alles, was sie bisher gesehen hatte. Hier war eine Ausstellung von Seiden-, Atlas- und Samtstoffen in den prächtigsten Farben gezeigt: ganz oben die Samte, vom tiefsten Schwarz bis zum zarten Milchweiß; weiter unten die Atlasstoffe in Rosa, in Blau, in weichen Farbtönen, noch tiefer schließlich die Seidenstoffe, eine ganze Skala des Regenbogens, da ein Stück zu einer Schleife aufgebauscht, dort ein anderes in Falten gelegt, wie zum Leben erwacht unter den geschickten Händen der Dekorateure.“ (Émile Zola. Das Paradies der Damen. Paris 1883)

Das Paris der Belle Époque war atemberaubend. Die ersten Automobile drängten sich neben Fußgängern, Lastkarren und Droschken die breit angelegten Boulevards entlang. Federhüte, Spitzenbordüren und bürgerliche Großfamilien neben Armut, Abgasen und Industrielärm. Es herrschte Aufbruchsstimmung in Frankreich, der Eiffelturm hatte 1889 die Welt im Sturm erobert. Bis heute dominiert das Symbol der Freiheit die Kulisse der Stadt, Zeichen der Liebe und Hoffnungsträger einer goldenen Zukunft. Die Jahre zwischen dem Ende des deutsch-französischen Krieges 1872 und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1814 waren überraschend friedlich. Eine verspätete Industrialisierung sorgte für wirtschaftlichen Aufschwung in der Hauptstadt, an dem erstmals auch die Unter- und Mittelschicht beteiligt war. Während in den intellektuellen Salons die politischen und philosophischen Debatten kochten, entstanden auf beiden Seiten der Seine neue Oasen des Konsums: die ersten Grands Magasins wurden gebaut. An der Ecke von Rue La Fayette und Rue de la Chaussée d’Antin entschieden sich die Cousins Théophile Bader und Alphonse Kahn in den 1890er Jahren, ein kleines Geschäft für Modernitäten zu planen. Die Lage war genial, die Opera Garnier nur einen Katzensprung entfernt. Angeboten wurden Stoffe, Düfte, Hüte und Gemischtwaren zugleich, ein völlig neues, waghalsiges Konzept. Aber es funktionierte: Aus den rund 70qm Ladenfläche wurde in nur wenigen Jahren ein berühmter Luxusbazaar, architektonischer Vorreiter im Stile der École de Nancy. Louis Majorelle gestaltete das Treppenhaus und die schmiedeeisernen Balkone auf denen sich bald die Stars tummeln sollten, der Künstler Jacques Grüber entwarf die 2000 Glasfenster der über 40 Meter hohen Kuppel. Unter ihrem sanften Licht öffnete der Flagshipstore der Galeries Lafayette im Jahr 1912 seine Türen dem Publikum aus aller Welt.

Rückblick: Galeries Lafayette

Wie Émile Zola in seinem Roman Das Paradies der Damen beschreibt, wurde der Spaziergang durch die Auslagen der Grands Magasins zum Erlebnis, die Schaufenster zur Augenweide und das Mittagessen in einem der Bistros zum Highlight des Tages für tausende Besucher. Bis heute gelten die Galeries Lafayette neben dem Louvre als größte Touristenattraktion der Stadt, auf ihnen liegt ein Zauber der die Jahrhunderte überdauert hat. Die Cousins Bader und Kahn hatten ein seltenes Gespür für den Zeitgeist. Nicht nur machten sie Mode zugänglich für alle, sie antizipieren jede Schwingung des Marktes und passten sich immer wieder gnadenlos an. Die Galeries Lafayette boten Raum für Innovation und verhalfen Designern wie Pierre Cardin, Yves Saint-Laurent und Sonia Rykiel zu frühem Ruhm. In über 96 verschiedenen Abteilungen wurde Ware ausgestellt, bald kamen Herrenmode, Einrichtungsgegenstände und ein eigenes Gebäude für Genussmittel dazu.

Hängende Installation in Kooperation mit Ami Paris

Seit fünf Generationen ist die Marke Lafayette in Familienbesitz. Sie überdauerte zwei Weltkriege, mehrere Wirtschaftskrisen und eine Pandemie. Den landesweiten Lockdown im letzten Jahr nutzte das Haus, um die riesige Glaskuppel in einem heimlichen Kraftakt zu restaurieren. Von Hand wurde jedes Glasfenster einzeln entfernt, gereinigt und wieder angebracht. Nichts durfte den täglichen Rummel stören, die Arbeiter kletterten nachts auf ein externes Gerüst. Pünktlich zur Sommersaison waren die Renovierungen unter der Leitung von Perrot & Richard Architectes beendet und es gab umso mehr Grund zu feiern. Unter dem Motto Paris je t’aime finden die Galeries Lafayette zurück zu den eigenen Ursprüngen. Historische Partner wie das Moulin Rouge und das Château de Versailles stellen neben Newcomern aller Stilrichtungen in den gewaltigen Räumen aus, unter den Ehrengästen sind alteingesessene Labels und weniger bekannte Geheimtipps. Über Macarons von Pierre Hermé, Talismanketten von Goossens und Slipkleidern von Jacquemus ist für jeden Geschmack etwas dabei. Ein Feuerwerk für die Sinne ganz im Stil des Grand Magasin.

Gerüst um die Glaskuppel

Restaurierung eines Glasfensters

Image courtesy of Galeries Lafayette