Hand angelegt

Mode ist auch Handwerk

Hand angelegt

Makramee und Klöppelspitze, Stickereien und Drapierungen – das Handwerk ist zurück in der Mode. Tatsächliche Handarbeit steckt allerdings nicht immer dahinter.

Sagen wir eher: Seine Ästhetik ist zurück. Ganz so einfach ist das nämlich nicht mit dem „Comeback des Handwerks“, wie es in vielen Modemagazinen und Stilgazetten, in manchem Feuilleton sogar beteuert wird. Nicht jede Spitze, die vor einigen Wochen über die Laufstege getragen wurde und nun in die Läden kommt, wurde von Hand geklöppelt. Nicht in jeder Stickerei hatte tatsächlich jemand seine oder ihre Finger drin, niemand weiß, ob die feinen Stoffvolumina im Pariser Atelier wirklich an der Puppe drapiert wurden. Vis-a-vis steht doch das Handwerk im eigentlichen Sinn der Massenproduktion gegenüber, und um Produkte dieser Kategorie geht’s meistens, wenn derzeit von einer neuen Lust auf reiche Details die Rede ist. Handgeklöppelte Spitze, handgefertigte Stickereien, handgelegte Drapagen, das gibt es in der Haute Couture – und in der Prêt-à-porter vielfach das reproduzierbare Antlitz davon.

Hand angelegt

Trenchcoat aus Nerz mit Makramee-Muster, darunter marineblauer Hosenrock und Sakko aus Wolle kombiniert mit schwarzen Leder-Slippern FENDI S/S 21.

Hand angelegt

Weißes langärmeliges  Kleid aus Klöppelspitze mit Taftaufsatz und Spitzkragen, pinke Tasche mit Häkelverzierungen, pinke Strumpfhose und pinke Schuhe FENDI S/S 21.

Der Modesommer 2021 ist voll von thematischen Schwerpunkten, die eine Annäherung an tradierte Techniken voraussetzen. Wenn sich die relevanten Labels auf eine neue Theatralik einigen etwa, dann ist der Gedankensprung zu fließenden Drapierungen wie bei Altuzarra oder Balmain nicht weit, dann ergeben Matthew Williams’ Stickereien für Givenchy einfach Sinn, dann sind die kleinstgekräuselten Fältchen bei Patou oder Loewe eine logische Konsequenz. Auch der Trend zur Kostümhistorie, gesehen zum Beispiel bei Simone Rocha und Erdem, verpflichtet zum kunstvollen Detail. Und will man mit der Oberbekleidung auf die Lingerie verweisen, so bei Paco Rabanne und Balenciaga, dann muss da eben Spitze dran. Wen interessiert bei all der Pracht dann noch, was da alles wirklich auf echtem Handwerk basiert, geschweige denn auf echter Handarbeit.

Hand angelegt

Schwarzer Makramee-Pullover, geflochtener Lederrock und Tasche mit aufgesetzten Blütenverzierungen VALENTINO S/S 21.

Hand angelegt

Goldfarbenes Kleid dazu passende schwarze Socken aus Spitze, schwarze Kopfbedeckung, schwarz-weiße Square Toe Heels PATOU S/S 21.

Silvia Venturini Fendi macht vor, was auch in der Prêt-à-porter möglich ist. Für das Label, das ihren Nachnamen trägt, präsentierte sie für diese neue Saison Klöppelspitze und säuberlich gesteppte Satin-Materialien, bei Valentino gab’s indes delikate Häkelarbeiten und Makramees zu sehen, bei Marques’ Almeida sollen Umarbeitungen bestehender Stoffbestände in Heimarbeit entstanden sein. Es gibt sie eben doch noch – oder auch wieder –, die echte Handarbeit, das Handwerk in seiner urigsten Urform, selbst in der auf Masse konditionierten Mode. Man muss nur genau hinsehen.

Tatsächlich aber gibt’s auch eine echte Rückbesinnung. Li Edelkoort – wenn auch wie gewohnt ein wenig überdramatisiert – hatte sie vor Monaten schon prognostiziert. Handmade, Selfmade, selbst gebastelt – das liegt nicht nur in der heimischen Lockdown-Luft. Es ist eine der schönsten Anekdoten der vergangenen Monate, dass Jonathan Anderson einen Pullover-Schnitt samt Fertigungsanleitung veröffentlichte, nachdem er die vielen selbst gemachten Kopien besagten Patchwork-Teils auf Instagram gesehen hatte. Neben den rührigen DIY-Bemühungen patenter Privatpersonen aber finden Handwerk und Handarbeit auch in den höchsten Modehöhen wieder einen Platz. Und das nicht nur in der Haute Couture, wohlgemerkt.

Title image: Leichtes mittelbraunes Makrameekleid mit ausgestelltem Saum und fein gehäkelten Blüten VALENTINO S/S 21.