Grafikdesigner und Gründer der Berliner Kreativagentur „Double Standards“, Chris Rehberger, reinterpretiert eine Tasche, die international bekannt und weltweit genutzt wird.
Über 90 Namen gibt es für die längst ikonisch gewordene simple Tragetasche im blau- oder scharz-weiß-roten Design: In den USA wird sie „China Bag“ genannt, in Nigeria „Ghana-must-go-Bag“ und in Deutschland heißt sie wahlweise „Polen“- oder „Türkenkoffer“, benannt nach den zwei größten Minderheiten der Bundesrepublik.
Alle Namen sind längst in den alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen, jedes Beispiel belegt: Die weltweiten Länder-referierenden Bezeichnungen stehen immer irgendwie abwertend für die jeweils landesübliche Migrationsnation. Da diese Plastiktasche erstens einmal primär in sogenannten Problembezirken vieler Städte im einschlägigen „Asia-Großhandel“ erhältlich ist. Und zweitens zwar praktisch ist und mit schneller Verfügbarkeit einhergeht, aber mit schlechter Qualität, billigen Preisen und insofern Armut assoziiert wird.
Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
So mag die Tragetasche schon den einen oder anderen Umzug gerettet oder als gar nicht mal so übles Reisegepäck fungiert haben. Und wir von Achtung Mode greifen bei jeder Modeproduktion treu auf sie zurück, um Designerkleider sicher von A nach B zu bringen. Schicker als ihr Konkurrent vom schwedischen Einrichtungsgiganten ist sie ja auch allemal!
Weil die robuste Tragetasche, die immer nach Feuchtigkeit müffelt und deren Reißverschluss praktisch schon kaputt mitgeliefert wird, weltweit auf gewisse Weise das Straßenbild prägt, ja längst eingegangen ist ins visuelle Gedächtnis, hat sie schon häufiger ihren Weg gefunden auf die Laufstege dieser Welt – schließlich liebt die Mode die Aneignung der “Low Culture”, um sie mir nichts dir nichts in ein teures Luxusgut zu verwandeln, wie etwa von Marc Jacobs für Louis Vuitton. Erneut bekommt diese Tasche nun eine modische Aufwertung durch den Grafiker Chris Rehberger – sein Modell der „Türkentasche“ trägt den ganz pragmatischen Namen „The Standard Bag“.
„Man wird nie wieder eine andere Tasche brauchen”, so Rehberger gegenüber.
Sie wird handgewebt, besteht aus 100-prozentig vegetabil gefärbtem Ziegenleder und ist damit wesentlich resistenter, als ihre Zwillingsschwester aus Plastik. Die „Standard Bag” kommt in drei verschiedenen Größen – Medium, Large und Extra Large – daher und bietet somit mehr als ausreichend Platz, um auch größere Gegenstände zu transportieren.
Entstanden sind die „Standard Bags“ im Rahmen der Plattform „Living Standards” der Kreativagentur von Chris Rehberger. Einem Onlineshop für alltägliche Dinge, die neu interpretiert werden. Man kann gespannt sein, welches Produkt als nächstes eine “Aufwertung” erfährt. Die Redaktion pfeift derweil auf kritische Ethikfragen und zwinkert stattdessen lieber einmal mehr – ironisch, versteht sich. Wer weiß, vielleicht schafft es Rehberger zu einer späten Anerkennung der Tasche als Designklassiker – was sie in unseren Augen ist.
Eins hat Rehberger schon einmal geschafft: In unserer Redaktion verwenden wir für unsere geliebte Shooting-Tasche ab jetzt nur noch die Bezeichnung “Standard Bag”. Ein treffender Begriff für ein so internationales Produkt. Das verstehen dann auch die Kollegen im Ausland.