Frauenzimmer: Karen Boros

Einblick in die private Sammlung

When zen master Yohji Yamamoto staged arguably the single coolest catwalk show ever seen in the German capital back in 2013, the mature and beautiful Karen Boros walked in the show. Amidst the uber babes preferred by Yohji, though easily twice their age, Boros did not look remotely out of place. Boros is the willowy mistress of the Bunker, the remarkable 1942 concrete structure with two-meter-thick walls built as an air raid shelter where she and advertising entrepreneur husband Christian Boros have built a dramatic home and gallery to display their vibrant art collection. Achtung caught up with Karen in her penthouse.

Der internationale Kunstmarkt funktioniert schon seit einiger Zeit wie eine Art zweiter Laufsteg der Mode, auf dem die neuesten Entwürfe der Designer*innen blitzschnell nach Erscheinen auf Tragbarkeit und Wirkung überprüft werden können. Und wie in der Welt der Mode ist zwar bei fast allen viel Geld mit im Spiel, aber selten außergewöhnliches Stilempfinden. Karen Lohmann Boros ist eine dieser Ausnahmeerscheinungen: als VIP-Relations-Managerin der Art Basel und Teil des profilierten Doppelgestirns Christian und Karen Boros. Zusammen mit ihrem Mann, dem erfolgsverwöhnten Werber Großsammler und Kunstverleger, hat sie der zeitgenössischen Kunst in Berlin ein würdiges Denkmal gesetzt. Seit 2008 zeigt das Paar in einem ehemaligen Reichsbahnbunker in Mitte Christian Boros private Sammlung. Ihr Arbeitszimmer ist nicht weit: Gleich darüber, in einem lichtdurchfluteten Penthouse, wohnen die beiden auf dem Dach über dem anerkanntermaßen teuersten Hobbykeller der Nation.

Wohnen im Penthouse, Kunst im Bunker.

Achtung: Frau Boros, wie ist das Wohnen auf einem Bunker überhalb der Stadt: Fühlt man sich da einsam oder über den Dingen stehend?

Karen Boros: Weder noch, es ist einfach ein besonderer Ort. Das beginnt schon am Eingang. Um unser Penthouse zu erreichen, muss man erst tief in den Bunker steigen, um dann oben die Weite zu spüren. Wir leben hier zwar mitten in der Stadt, aber mit allen Elementen. Wind, Licht, Wasser und Pflanzen werden von unseren Räumen aufgefangen, dringen durch die Glasfronten. So ist eigentlich jede Morgenstimmung eine andere und das finde ich spannend.

A: Wie kamen Sie eigentlich zu dem Bunker?

KB: Wir waren nie auf der Suche nach einem Bunker. Zwei Jahre lang haben wir uns alle möglichen Gebäude angeschaut. Darunter zwei Schulen, ein altes Krankenhaus, diverse Lofts und Fabriken. Bis dann eines Tages ein Freund meinte, ich kenne da jemanden, der hat einen Bunker und weiß nicht so richtig, was er damit machen soll. Nicht gerade das optimale Gebäude, um Kunst zu zeigen. Es war dunkel, es war feucht, es war kalt, aber irgendwie waren wir dann doch von der beeindruckenden Kraft dieses Gebäudes begeistert. Der Bunker hat uns gefunden, nicht umgekehrt. Mein Mann war leichtsinnig genug, ihn zu kaufen, nicht wissend was da auf uns zukommt.

A: Ihr Lieblingsplatz in der Wohnung?

KB: Ich habe meinem Schreibtisch zu meinem Lieblingsplatz gemacht, da verbringe ich viel Zeit. Ursprünglich war geplant, dass mein Mann und ich uns dort gegenübersitzen und wir uns den teilen. Aber mittlerweile ist der Schreibtisch zu meinem persönlichen Refugium in unserer Wohnung geworden. Dort habe ich all meine wichtigen Dinge, seien es Bücher, Fotos oder kleine gesammelte Kunstwerke.

A: So wie das Robert-Mapplethorpe-Porträt von Elizabeth Peyton, das man auf dem Bild sieht. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich irgendwo gelesen, dass Sie die meisten Werke von ihr besitzen.

KB: Vielleicht gibt es mittlerweile jemanden, der uns überholt hat. Ich glaube, wir besitzen insgesamt 42 Arbeiten von Elizabeth Peyton. Das ist schon eine ganze Menge, aber es sind nie genug.

A: Was mögen Sie an ihrer Arbeit besonders?

KB: Im Grunde genommen ist sie eine recht klassische Malerin, die es aber immer wieder schafft, einen Zeit-Moment einzufangen. Und sie porträtiert vorwiegend Menschen. Menschen faszinieren mich. Ich mag ihre schüchternen, fast intimen Aufnahmen. Wenn man lange mit ihren Porträts lebt, werden diese fast zu eigenen Wegbegleitern.

Auch als Model war Karen Boros schon häufiger zu sehen: zuletzt auf dem Laufsteg der Balenciaga S/S 2020 Kollektion.

A: Schon einmal gedacht: Mist, den*die Künstler*in habe ich verpasst?

KB: Man verpasst immer viele Künstler*innen. Da muss man den Mut haben zu selektieren. Aber zu den Künstler*innen, für die wir uns entschieden haben, zu denen stehen wir nach wie vor. Es geht uns nicht darum, nur die eine Arbeit zu kaufen, sondern eine*n Künstler*in in die Tiefe zu sammeln, seine Entwicklung zu verfolgen.

A: Eine Art freundschaftliche Liebesbeziehung also. Wann entstand die Idee, mit ihrer Sammlung an die Öffentlichkeit zu gehen?

KB: Als wir festgestellt haben, jetzt können wir uns wohl offiziell als Sammler bezeichnen.

A: Woran macht man das fest? Zählt man da alle Kunstwerke einmal durch?

KB: Für uns war das der Moment, an dem die Arbeiten nicht mehr in unser Haus in Wuppertal, sondern direkt ins Lager geliefert wurden. Wir haben teilweise Arbeiten erworben, von denen wir wussten, dass wir diese nie in unserem Haus sehen würden.

A: Für viele immer noch kein Grund, ihre Sammlung öffentlich zu machen. Geht es nicht als Sammler in erster Linie um Besitz?

KB: Letztendlich wird Kunst nicht fürs Lager geschaffen, sondern dafür, dass man sie zeigt, Menschen den Zugang zu ihr ermöglicht, sich darüber austauscht und diskutiert.

A: Und warum in Berlin und nicht in Wuppertal? Dort hätten die Menschen sicherlich auch Freude an ihrer Kunst gehabt.

KB: 2000, als die Idee entstand, war Berlin im Umbruch. Dieses Unfertige, das hatte eine große Faszination. Mitzuwirken in so einer historischen Stadt, etwas zu schaffen, Teil davon zu werden, das hat uns begeistert. Wir waren schon immer viel in Berlin, hatten hier viele Freunde – es war ein logischer Schritt.

A: Ihre Meinung: Warum klappt es mit der Kunst in Berlin so gut, mit der Mode hingegen bisher eher mäßig?

KB: Die Kunst in Berlin lebt von der nationalen Kunstszene, die diese stützt. Den Sammlern, den Museen mit ihren Ausstellungen und den vielen Kunstvereinen, die wir in Deutschland haben. Eine Infrastruktur, die es so in der deutschen Mode meines Erachtens nicht gibt. Da fehlt es immer noch an Unterstützung.

Karen Boros liebster Ort in ihrer Wohnung? Der Schreibtisch.

A: Auch international punktet Berlin als Kunststadt.

KB: Das ist etwas, was man in Berlin in den letzten 15 Jahren geschafft hat: das jeder wichtige internationale Sammler mindestens einmal im Jahr nach Berlin kommen, in Galerien gehen und Ausstellungen anschauen will. Bei der Fashion Week scheitert dies ja allein schon am passenden Zeitpunkt–zeitgleich zu den Männerschauen in Paris.

A: Sie sind eine der wenigen Frauen, zumindest soweit mir bekannt ist, die Entwürfe von jungen deutschen Designer*innen trägt. Und auch noch darüber spricht.

KB: Die Sachen zu kaufen und zu tragen, damit fängt es an, oder? Das ist das Geringste, was ich und andere an Unterstützung liefern können.

A: Wen haben Sie denn in ihrem Kleiderschrank hängen?

KB: Ich mag Vladimir Karaleev und Augustin Teboul, von denen ich ebenfalls ein paar Stücke habe. Meine Neuentdeckung: Hien Le, dessen Show habe ich mir im Januar das erste Mal angeschaut. Sehr minimalistisch, aber spannend.

A: Ihr*e Lieblingsdesigner*in?

KB: Ich bin seit vielen Jahren großer Fan von Junya Watanabe und Comme des Garçons. Für mich sind es die Hacker der Mode, alle Regeln der Schneiderkunst werden immer wieder aufgebrochen und hinterfragt.

A: Es gibt ja stets eine rege Diskussion darüber, ob Mode Kunst ist. Wie nah sehen Sie die Verbindung von Mode zur Kunst?

KB: Es gibt sicherlich interessante Überschneidungen und das kreative Potenzial in der Mode hat oftmals etwas von Kunst. Allerdings ist für mich ein Künstler immer noch jemand, der etwas erschafft, ohne den Gedanken an dessen Gebrauch. Ein essenzieller Unterschied zwischen Kunst und Design.

2003 kaufte Karens Mann Christian Boros den Bunker und baute ihn für seine Sammlung zeitgenössischer Kunst um.

A: Vielleicht gibt es dann zumindest Gemeinsamkeiten in der Aussage von Mode und Kunst. Was sagt die Mode 2015 über das Jetzt aus? Und die Kunst?

KB: Ich sehe bei allen Designern gerade einen unglaublichen Eklektizismus. Jeder scheint sich irgendwie aus allen möglichen historischen Epochen zu bedienen. Bilder, Codes, die da auf einmal wieder hinaufgespült werden. Wir sind ja eigentlich nur noch mit Images beschäftigt, das Geschriebene zählt nicht mehr. In der Kunst gibt es da sicherlich Parallelen. Eine ganze Generation von Post- Internet-Artists beschäftigt sich mit dem ständigen visuell-ausgesetzt-sein, geht dabei allerdings einen Schritt weiter als die Mode und wirft die Frage auf, wie das in Zukunft unsere Wahrnehmung verändert.

A: Sieben Jahre Boros in Berlin. Auf welche Weise inspiriert Sie die Stadt noch?

KB: Es gibt in Berlin immer noch sehr viel Freiraum für eigene Ideen, wenn man die Kraft hat, etwas zu bewegen. Ich glaube, das mag ich am meisten an dieser Stadt, dass es immer noch möglich ist, sich hier etwas aufzubauen und Teil der Gesellschaft zu werden.

A: Und was nervt Sie?

KB: Die vielen schrecklichen neuen Gebäude, die überall entstehen. Berlin hätte ein unglaubliches Potenzial gehabt, interessante, spannende Architektur zu zeigen. Diese Chance wurde leider verschenkt.

A: Sie und ihr Mann, Christian Boros, gelten als Power-Paar der Berliner Kunstszene. Eine eigene Sammlung, er macht Kommunikationsstrategien für das Gallery Weekend, sie sind VIP-Managerin der Art Basel, er besitzt einen eigenen Kunstverlag. Was kommt als Nächstes?

KB: Wir sind immer noch etwas rastlos. Schauen wir mal, ob uns das nächste Projekt zur Ruhe bringt.

A: Was wird das?

KB: Wir restaurieren gerade einen barocken Bauernhof im Umland von Berlin und werden wahrscheinlich auch dort die Möglichkeit nutzen, Kunst zu zeigen. Vielleicht wird es also irgendwann eine Boros-Dependance auf dem Land geben.

Gebaut wurde der Bunker 1942. Seit dem diente er unter anderem als Schutzbunker, Kriegsgefängnis, Textilienlager und Techno-Club.

Photos: Markus Jans

This editorial appeared first in ACHTUNG Nr. 29.