Trachten

Fotograf Gregor Hohenberg über Trachten und Kultur in der Mode

Trachten Deutschlands Gregor Hohenberg

Fünf Jahre lang reiste unser Cheffotograf Gregor Hohenberg in die Provinzen Deutschlands, um dort traditionelle Trachten zu fotografieren und veröffentlichte einen großen Bildband zum Thema. Jetzt, sechs Jahre später, kehrt er mit uns zurück an einen Ort des Geschehens: den Schwarzwald – und es geht wieder um Handwerkskunst, traditionelle Kleidung neu interpretiert und die Botschaft, die sie senden kann.

Wie kommt man darauf, für ein Fotoprojekt über fünf Jahre durchs Land zu reisen und tief in die Provinzen einzutauchen?

Die Idee kam von Annett, meiner Frau und mir dazu auf einem Osterfest in einem Bergdorf in Sardinien. Dort tanzten junge Paare auf dem Fest in ihren schönen, aufwendig regional angefertigten Trachten, als sei es das Natürlichste der Welt, diese Pracht zu zelebrieren. Wir dachten uns damals, so etwas muss es doch auch in Deutschland geben. Dann begannen wir zu recherchieren in alten Foto-Büchern vom Trachtenfotograf der 30er-Jahre Erich Retzlaff und in Kostüm-Bibliotheken in Berlin und München. Das Zeitmagazin zeigte Interesse an dem Projekt und so ging alles seinen Lauf über einen Magazinartikel bis zur Suche nach einem Buchverlag, den wir dann beim Gestalten Verlag 2015 fanden.

Es wurde immer spannender und komplexer, je tiefer wir ins Thema Trachten eintauchten. Deutschland wurde zu einem Vielvölkerstaat mit den unterschiedlichsten kulturellen Einflüssen aus Holland, Frankreich, Osteuropa und Portugal, um nur einige zu nennen. Verbunden mit der Architektur der Region ergab sich ein Gesamtbild der kulturellen Vielschichtigkeit von über 25 verschiedenen Trachtengebieten in ganz Deutschland.

Trachten Bollenhut Tradition

Gutachtal. Tracht für den Gottesdienst, Rückansicht von Bollenhut und Gehänge aus Glasperlen, Pailletten und Bändern, die am Geflecht befestigt sind. Der quadratische Kragen wird Goller genannt und ist mit Bändern verziert.

Welcher Ort und welche Tracht ist dir nach den Jahren am meisten im Kopf geblieben?

Es gab viele besondere Trachten, die liebevoll gepflegt und erhalten worden sind. Eine Tracht ist mehr als ein Kleidungsstück, es ist ein kulturelles Erbe, das von einer Generation auf die nächste weitergereicht wird. Für die Miesbacher Tracht zum Beispiel braucht man drei Personen, um sie anzulegen. Dort werden aufwendige Federkiel-Korsagen verwendet wie im Hoch-Rokoko, alles von Hand in wochenlanger Arbeit in uralter Technik gefertigt.

Was hast du in deinem Projekt über Tradition gelernt?

Tradition ist ein wenig überstrapaziertes Wort. Ich würde es lieber Kultur nennen. Kultur ist eine Form von Freiheit, ein Teil unserer Identität. Sie kann die Quelle für neue Ideen sein. Die Tracht ist ein Teil von etwas Größerem, das wir erhalten sollten.

Was über Mode?

Mode ist heutzutage oft zu einem reinen Konsumprodukt geworden – das ist auch ok. Dennoch ist es wie eine Sprache, mit der man zu anderen spricht. Damals, als die meisten Trachten entstanden sind, ging es auch um den Status, es ging um Zugehörigkeit und Erkennbarkeit durch Kleidung – Bauernstand, ledig, verheiratet, verwitwet – als das konnte man an der Kleidung erkennen. Damals trug man in Ochsenfurt sieben Röcke übereinander, um zu zeigen, wie wohlhabend man war, heute kauft man sich eine Handtasche von Bottega Veneta.

Schwarzwaldhaus Tradition

Traditonelles Schwarzwaldhaus mit an den Seiten weit herabgezogenem Walmdach.

Dirndl Traditionelle Kleidung Deutschland

Gutachtaler Tracht für den Gottesdienst an einer unverheiraten Frau und einem jungen Mädchen.

Brauchen wir Tradition in der Mode?

Nein, Mode ist jung und schnell. Wer zu viel da hineininterpretiert, hat schon verloren. Ich freue mich aber immer, wenn Trachten die Modehäuser inspirieren und man Trachten-Elemente in den aktuellen Kollektionen wiederfindet.

Wie war es für dich, nach Jahren wieder an einen der Orte deines damaligen Projekts zurückzukehren und Teil eines Fotoprojekts zu sein, für das auch Trachten fotografiert wurden?

Ich liebe den Schwarzwald – die uralte Kultur-Landschaft mit den Riesen-Tannen, die die Holländer im 16. Jahrhundert für ihre Segel-Schiffsmasten verbaut haben. Die Leute dort sind wohlhabend, offen und freundlich. Die Trachten hat meine nette Kollegin Julia von der Heide fotografiert. Die Bilder sind toll geworden. Schön, dass Achtung sich dem Schwarzwald und dessen Trachtenkultur widmet.

Das Buch Traditional Couture: Folkloric Heritage Costumes ist in der Buchhandlung Walther König erhältlich.