„Die Spreu vom Weizen trennen“

Deutsche Designtalente

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Die Berliner Modewoche dient zunehmend als Plattform, auf der sich Designtalente aus ganz Deutschland gemeinsam präsentieren. Das ist auch gut so.

Christian Kurtzke ist sichtlich gut gelaunt. Der braungebrannte Mittvierziger mit dem weit aufgeknöpften Hemd und zurückgegelten Haaren fletscht seine Zähne zu einem schelmischen Grinsen, mit denen er geladene Gäste in der Berliner Bar Tausend für seine Sache einnehmen will. Seine Sache, das ist Porsche Design, der Modeableger des Luxusautobauers aus Stuttgart-Zuffenhausen, bei dem Kurtzke vergangenen März als neuer CEO anheuerte. Um winterliche Mode soll es heute gehen, schließlich feiern die Hauptstädter gerade ihre Fashion Week, für den gebürtigen Berliner also ein Heimspiel. Dafür hat der Sunnyboy eine kommerziell ausgereifte Kollektion für die kommende Saison im Gepäck, genauso wie den neuen Kreativdirektor Pierre Costin, der Porsches Fashion-Faktor weiter steigern soll.

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Den einen oder anderen Kritiker mögen die Entwürfe so kalt lassen wie die schweren Eisblöcke im Eingangsbereich, in denen, sozusagen als temporäre Skulpturen, eingefrorene Koffer und Sonnenbrillen von Porsche Design darauf warten, langsam freigetropft zu werden. Die Gäste hingegen, unter ihnen reiche Russen und aufgepimpte Kundinnen, klatschen begeistert, während sie an ihrem prickelnden Champagner nippen. Dass es sich hier um ein professionelles Event einer international agierenden Modemarke handelt, wie man es in Berlin selten erlebt, kann wohl keiner bestreiten. Mit ihren Titan-Brillen sind sie übrigens Weltmarktführer. Zum Ruf der deutschen Modehauptstadt, der sich klischeehalber aus Attributen wie jung und wild, arm aber sexy speist, mag das Event auf den ersten Blick nicht so richtig passen. Irgendwo zwischen Silikon und Pailletten, Geld und Gesöff wird offensichtlich: die Berliner Modewoche hat in Wahrheit viele Gesichter.

Ewige Jungdesigner, kommerzielle Überflieger, bayerische Schickeria, international Agierende, in dieser Saison präsentiert sich die BFW deutlich vielschichtig. Zwei Dinge stechen dabei besonders ins Auge: erstens bewegt sich die Qualität und/oder Inszenierung gezeigter Kollektionen auf anderem Niveau. Und zweitens ist das gestalterische Monopol der Hauptstadt ins Wanken geraten. Talente kommen nicht mehr nur aus Berlin, sondern aus allen Teilen Deutschlands. Beides führt dazu, dass sich hierzulande ein deutscher Modekader etabliert.

Der deutsche Modekader

Tatsächlich hat man es zu großen Stücken Christiane Arp zu verdanken, dass zur Berliner Modewoche nicht einfach nur Modedesigner aus ganz Deutschland zusammenkommen – sondern neuerdings vor allem die guten. Mit ihrem Nachwuchsförderungskonzept des Vogue Salons, das in dieser Saison bereits in die zehnte Runde ging, als auch mit dem zum dritten Mal stattfindenden Berliner Mode Salon, co-initiiert von Marcus Kurz, sozusagen die Herberge aller Talente, die nicht oder nicht mehr im Vogue Salon zeigen (die Teilnahme ist auf vier Saisons begrenzt), formiert sich gerade immer weiter eine Elite unterschiedlich denkender und gestaltender Designer heraus, die jeweils in ihrem individuell gesteckten Rahmen für modischen Zeitgeist stehen und in ihrer Gesamtheit dem flüssigen Konzept „Deutsche Mode“ neue Bedeutung verleihen.

Warum das wichtig ist? Nach dem Motto „gemeinsam sind wir stark“ könnte so in einem nächsten Schritt eine kreative Einheit dabei helfen, internationale Aufmerksamkeit zu generieren und darüber Käufer und Investoren zu aquirieren – beide fehlen gerade den jungen Designern in Deutschland immer noch händeringend, um von frischen Ideen auch leben zu können. Und noch kommen internationale Einkäufer eher selten nach Berlin. Das soll sich ändern.

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Der Frankfurter

„Wirklich großartig ist doch aber erst einmal, dass hier endlich etwas Gemeinsames am Wachsen ist. Aus der Berlin Fashion Week wird eine German Fashion Week“, beschreibt die aktuellen Entwicklungen niemand fröhlicher als ein gut gelaunter René Storck einen Tag nach seinen intimen Défilée im Kronprinzenpalais. „In Deutschland gibt es viel mehr gutes Modedesign, als man immer denkt, nicht nur die wilden Berliner. Und das schönste daran ist, dass alle Marken so unterschiedlich sind.“

Der Frankfurter Modedesigner zeigt seine Kollektion erstmals im Rahmen einer Modenschau in Berlin, als Branchenneuling kann man ihn nicht bezeichnen. Seit 1991 ist Storck im Geschäft, 2007 holte er sich einen Investor mit ins Boot – der den Kahn nur fünf Jahre später erst mal zum Kentern brachte. Es liegt wohl auch an Storcks grundoptimistischer Lebensfreude, dass er sich nicht unterkriegen ließ. Der Laden an der Goethestraße, die Luxusmeile Frankfurts, tauschte er gegen ein gemäßigtes Äquivalent im Nordend, wo er nicht nur die selbstbewusste Frankfurterin in elegante Mäntel und perfekt sitzende Hosenanzüge steckt: dass sein Pressebüro in Paris sitzt, sagt wohl alles.

Talbot Run-off Portrait men cloths

Die Münchener

Dass es zur Berliner Modewoche nicht nur Berliner Mode zu sehen gibt, sondern stets einen Querschnitt gesamtdeutschen Fashiondesigns, ist keine Neuheit. Aber „dass hier endlich mal die Spreu vom Weizen getrennt wird“, wie es Adrian Runhof beschreibt, der zusammen mit Johnny Talbot vom Münchener Label Talbot Runhof betreibt, schon. Ihre schillernden Abendroben zeigen beide normalerweise in Paris, in der bayerischen Hauptstadt eröffneten sie in der vergangenen Saison einen 400-Quadratmeter großen Flagship-Store auf der Theatinerstraße. Nach Berlin kommen sie neuerdings, weil sie an Christiane Arp und das „Wir“-Gefühl glauben.

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Die Berliner

Auch das vergangene Saison ausgerufene German Fashion Council, also eine Modekammer zur Förderung und Sicherung deutscher Modequalität nach Vorbild von Ländern wie Italien, Frankreich und England, wird dabei helfen, den Kader weiter zu formen und festigen. Das Council, ebenfalls mitinitiiert von Arp, hat auch ein eigenes Talentförderungsprogramm, das in erster Saison verdientermaßen an die Berliner Designerinnen Nobieh Talaei (Nobi Talai) und Marina Hoermanseder ging.

Ja, die Berliner, fehlen dürfen sie auf der Berliner Modewoche natürlich nicht. Zu den Vorzeigetalenten der Hauptstadt zählen außerdem Perret Schaad, Bobby Kolade, William Fan und Louise Friedlaender. Auch Frauke Gembalies, die mit ihrem Konzept des Salon Privées ihre Kollektionen stets in intimer Runde präsentiert, gehört dazu. Und nun auch irgendwie Porsche Design, wenn der Kreativdirektor schon in Berlin sitzt und der CEO Berliner ist.

Schluss ist da aber noch nicht. Aus Düsseldorf etwa reisten Dorothee Schumacher und das Schmucklabel Golpira, die gebürtige Kölnerin Julia Jentzsch kam aus New York geflogen, aus Hamburg und Hannover kommen Spitzentaschen von Stiebich & Rieth und PB0110 und Odeehs Otto Drögsler und Jörg Ehrlich aus Giebelstadt bei Würzburg. Alle repräsentieren unterschiedliche Stile, Generationen, Warengruppen – und alle stehen stellvertretend für ein neues Bild von Modedesign aus Deutschland. In Berlin kommen alle zusammen. Und als starker Kader klappt es in Zukunft hoffentlich auch noch besser mit dem Verkauf – der eine oder andere internationale Einkäufer mehr soll sich zur Berliner Modewoche nämlich tatsächlich schon eingefunden haben. „Großartig“, würde René Storck da sagen.

Warum das wichtig ist? Nach dem Motto „gemeinsam sind wir stark“ könnte so in einem nächsten Schritt eine kreative Einheit dabei helfen, internationale Aufmerksamkeit zu generieren und darüber Käufer und Investoren zu aquirieren – beide fehlen gerade den jungen Designern in Deutschland immer noch händeringend, um von frischen Ideen auch leben zu können. Und noch kommen internationale Einkäufer eher selten nach Berlin. Das soll sich ändern.