Die neue Ära

GmbH Gründer Huseby und Işık übernehmen bei Trussardi

Träge, ideenlos, selbstgerecht – so wirkt das bürokratische Deutschland von Zeit zu Zeit. Ein Land, in dem die Form von Gartenhecken und die Raumtemperatur auf Büroklos von Amts wegen geregelt sind. Einem deutschen Label einen Namen zu geben, der all diese Assoziationen weckt, zeigt etwas, das sich durch das Konzept des Berliner Labels „GmbH“ zieht: Mut und der Bruch mit Stereotypen. Dieser Mut zahlt sich jetzt aus. In etwas mehr als fünf Jahren haben die beiden Gründer Benjamin Huseby und Serhat Işık GmbH zu einem international erfolgreichen Label etabliert und wurden jetzt von der italienischen Traditionsmarke Trussardi als Kreativdirektoren berufen. Um nichts Geringeres zu tun als einen Wandel anzustoßen und das Unternehmen in eine neue Ära zu begleiten. In einer Zeit, in der existenzielle Fragen durch eine Pandemie, den Klimawandel und Gleichstellungsdebatten, eine neue Dramaturgie erhalten haben, muss Mode mehr sein als schön, um glaubhaft zu sein: Sie braucht eine Vision. Und die liefern Benjamin Huseby und Serhat Işık.

GmbH Fall 2021 menswear collection introducing couture.

Sie sind Denker, Designer, Disrupter. 2016 gegründeten die beiden ihr Label GmbH, nachdem sie sich im Berliner Nachtleben auf der Tanzfläche kennengelernt hatten – der Designer und der Fotograf. Auf die Frage danach, was sie in der Branche vermissten, antworteten Huseby und Işık der Süddeutschen Zeitung: „Uns! Wir sind keine offensichtlichen Modeleute.“ Işıks Vater war Minenarbeiter. Husebys hat in einer Videothek gearbeitet. Beide haben Migrationserfahrung. Die Geschichte von marginalisierten Gruppen wurde zur Inspiration und zum visuellen Mittelpunkt ihres Labels, es geht um Sichtbarkeit und Aufarbeitung. Eine ihrer Kollektionen ist inspiriert vom Stil ihrer Väter, die Kleidungsstücke benannt nach ihren Freund*innen.

GmbH: The origins. From left to right: Marie Veierød, Serhat Işık, Bart Smet, Marcelo Alcaide, Mina Hammal (standing), Benjamin Huseby (standing), Tobias Lee, Gabor Szabo, Ande Pramuk, Alexandre. Photo by Benjamin Huseby.

Auch weil zunächst das Geld knapp war, arbeiteten die beiden in ihren Kollektionen mit aussortierten Stoffen oder Stoffresten, blieben dabei und etablierten es zu einem nachhaltigen Designkonzept, das sie zu Vorreitern machte. Über 100 Jahre liegen zwischen dem Berliner Durchstarter-Label und der italienischen Traditionsmarke Trussardi, die 1911 als Handschuhhersteller gegründet wurde. Wo die beiden sich treffen? Beim Leder. Trussardi ist bereits seit über 100 Jahren im Familienbesitz, begann mit der Herstellung von Handschuhen und wurde in den 80er-Jahren zur Marke für Accessoires und Kleidung – der Fokus blieb immer auf der Arbeit mit Leder. Auch GmbH ist bekannt für ihre ledrigen Kollektionen, mit Referenzen zu der Berliner Underground-Club-Szene. Trussardis neue Kreativdirektoren sind Teil einer größeren Umstrukturierung der italienischen Marke, angestoßen durch Sebastian Suhl, der im Oktober 2020 als neuer CEO bei Trussardi startete: „Serhat und Benjamin bringen eine unverwechselbare und kraftvolle Vision zu Trussardi. Das Team und ich sind zutiefst begeistert, diese Reise mit ihnen anzutreten, um ein zeitgemäßes und verantwortungsvolles Lifestyle-Erlebnis auf den Markt zu bringen.“

“Trussardi comes charged with pedigree and enormous untapped potential. We were drawn to the possibility of building a house anew” – Benjamin Huseby and Serhat Işık

Ihre erste Kollektion präsentieren Benjamin Huseby und Serhat Işık im Herbst/Winter 2022. Der Beginn der Rolle als neue Kreativdirektoren von Trussardi bedeutet aber nicht das Ende des Labels GmbH und schon gar nicht das Ende ihrer Vision: „Mit GmbH haben wir dazu beigetragen, Themen wie Inklusivität und Verantwortung in den Vordergrund des Modediskurses zu rücken. Unsere Vision für die Wiederbelebung des Hauses Trussardi wird sich auf genau diese Werte stützen“, schreiben Huseby und Işık bei Instagram. Sozialkritische Mode zu machen sieht auf den ersten Blick nicht wie ein erfolgversprechendes Konzept aus – zu kopflastig, zu kompliziert. Am Anfang hätten ihnen viele davon abgeraten, politische Mode zu machen, das würde abschrecken, verraten sie in einem Interview. Der Erfolg von Huseby und Işık steht damit für etwas Größeres, für den Beginn einer neuen Ära in der Mode und die Menschen, die sie machen, sich ihrer Verantwortung stellen und mit aushandeln, wie eine zukunftsgewandte und offene Gesellschaft aussehen soll. Huseby und Işık haben einen Anfang gemacht, das ist mutig. So mutig, wie es nur Visionäre sind. Jetzt ernten sie die Früchte ihres Erfolgs.

Titelbild: Benjamin Huseby und Serhat Işık fotografiert von Mustafah Abdulaziz.