Die Hoffnungsträgerin

Designtalent Nobieh Talei

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Deutschland hat ein Imageproblem. Wenn es um die Berliner Fashion Week geht, nehmen Vorurteile uns ein, noch bevor irgendein Model den Laufsteg überhaupt betreten konnte. Kein Wunder also, dass viele Designer ihren Wurzeln den Rücken kehren. Eine Ausnahme ist Nobi Talai.

Eigentlich ist es doch immer das gleiche.

Saison für Saison stellen Journalisten sich die Frage, ob Berlin nun das Potential zu einer Modehauptstadt habe oder eben nicht. So ganz einigen kann man sich jedenfalls nicht. Denn bedauerlicherweise gehört Fashion-Week-Bashing schon seit Jahren zum Programm der deutschen Modewoche. Dem Frust gegenüber einem Publikum, dass eher auf konservative Pragmatik im Schnitt, anstelle kreativer Experimentierfreudigkeit setzt, wird gerne Luft gemacht. Und auch über ProSieben-Prominente und ehemalige Dschungelcamp-Kandidaten in der Frontrow lässt es sich gut lästern. Es wundert also niemanden, dass junge Talente ihr Design lieber dort zeigen, wo eine natürliche Unterwerfung zur Modeautorität herrscht. Auch Nobieh Talaei wusste das.

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„Herausforderungen habe ich schon immer geliebt.”

Um sich mit ihrem Label einen internationalen Namen zu machen, entschied sie sich 2016 dazu, den Standort ihrer Präsentationen nach Frankreich zu verlegen. „Gerade am Anfang war es für Nobi Talai sehr wichtig, die ersten Shows in Paris zu zeigen“, so die Designerin. „Auf diese Weise habe ich internationale Aufmerksamkeit bekommen.“ Wer seine Mode in Paris zeigen will, der wird schnell feststellen, dass Innovation und Hochwertigkeit dort keine Seltenheit sind. Nur wer einen guten Namen und ein ausgepolstertes Budget vorweisen kann, um die anstehenden Kosten zu tragen, überlebt. „Herausforderungen habe ich schon immer geliebt“, lautet Nobiehs Antwort darauf, dass man nur schwer als Newcomer aus der Menge sticht. „Es ist wichtig, dass die deutsche Mode auch im Ausland gesehen wird. Daher war Paris für mich nach wie vor eine gute Entscheidung.“

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Das ewige Dilemma: Paris oder Berlin?

Auch wenn es gewagt ist, seiner Komfortzone den Rücken zu kehren, muss man dazu sagen, dass Nobieh Talaei längst keine Anfängerin mehr war. Im Alter von 11 Jahren zog sie nach Berlin und studierte später Modedesign an der Esmod. Bevor sie ihr Label 2015 gründete, sammelte sie zwölf Jahre lang Erfahrungen in der Modebranche. Dort lernte sie, auf was es letzten Endes ankommt. „Berlin hat super viel Potential, aber man muss sich bewusst sein, dass ein Modedesignstudium noch lange nicht ausreicht, um erfolgreich zu sein“, so die Designerin. Trotzdem wollte sie ihrer Heimat nie ganz den Rücken kehren. Nachdem sie mehrere Saisons in Paris gezeigt hatte, entschied sie sich im vergangenen Sommer dazu, mit ihrer Spring/Summer 2020 Kollektion wieder nach Berlin zu kehren. Neben Designern wie William Fan oder Odeeh hat die deutsche Modewoche eben doch noch das ein oder andere Highlight zu bieten.

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Großstadtnomadin – nicht nur im Design

„Ich wurde hier von Anfang an nicht nur vom German Fashion Council, sondern auch von Christiane Arp unterstützt,“ betont Nobieh Talaei in einem Gespräch kurz nach der Show. „Natürlich bin ich Berlin gegenüber loyal.“ Auch in dieser Saison präsentierte Nobi Talai in Berlin. Während ihrer Show im Kraftwerk sah man für Herbst/Winter 2020 vorwiegend moderne, puristische Silhouetten, kombiniert mit Elementen aus ihrer persischen Herkunft. Das Programm: ein Mix aus Ornamenten und zeitgenössischem Design. Auf locker sitzenden Anzügen folgten weite Mäntel und Westen, fließende Röcke und klobige Boots. Tücher und Schals waren locker um den Kopf drapiert. Hinzu kam eine erdige Farbpalette, mit farbigen Highlights in Rot, Türkis und Kurkuma-Gelb. „In meinem Design treffen zwei Welten aufeinander, aber beide sind meine.“ Nobieh Talaei will sich auch in Zukunft nicht bezüglich ihres Standorts für immer festlegen. Ganz im Sinne der Großstadtnomadin, die auch ihr Design verkörpert.