„Die Angst ist eigentlich immer da, sitzt auf der Schulter und will, dass du ihr zuhörst“

Lilith Stangenberg über Mode, Macht und einen Wolf als Freund

Lilith Stangenberg ist eine Extrem-Schauspielerin – verstörende Rollen sind ihr Geschäft. Ob sie sich in einen Wolf verliebt und ihm fast unerträglich nahekommt oder unter Verdacht steht, Menschenblut zu trinken, immer wird deutlich, wie es aussieht, sich für seine Rollen selbst zu riskieren. Eben jener Hang zum Risiko machte sie bekannt: Als Filmschauspielerin vor allem in der mehrfach preisgekrönten Hauptrolle in Nicolette Krebitz’ Spielfilm „Wild“. Als Theaterschauspielerin spielte Stangenberg von 2012 bis 2017 an der Volksbühne Berlin. Während sie auf der Bühne ihr Innerstes nach außen kehren soll, haben wir das Äußerliche nach innen gekehrt und Mode in unserer Wannsee-Produktion zum Skript unseres Mode-Films werden lassen – mit Stangenberg in der Hauptrolle.

Dress LOEWE

Carmen Maiwald: Dein Musiklehrer hat in deiner Schulzeit mal über dich gesagt, dass du vom Teufel besessen seist. Wie warst du als Kind?

Lilith Stangenberg: Furchtlos und verspielt.

CM: Du spielst häufig sehr extreme Rollen, die etwas Gefährliches, etwas Sonderbares und gleichzeitig etwas sehr Mutiges haben. Was macht dir im Leben Angst?

LS: Die Angst ist eigentlich immer da, sitzt auf der Schulter und will, dass du ihr zuhörst. Manchmal schafft man es, sie kurz auszutricksen und abzuwerfen. Das sind erhabene Momente. Vielleicht geht es sogar genau darum, immer wieder um dieses „Sich-Überwinden“. Das Spielen für die Kamera ist etwas sehr Intimes. Es geht ums Enthüllen, Entblättern auf einer seelischen emotionalen Ebene. Ich suche eigentlich eher nach der Schwäche oder dem Fehlbaren in einer Figur. Angst und Verzweiflung sind ein guter Motor für die Arbeit. Aus der Krise entsteht meistens etwas Fremdes, Neues, Interessantes.

CM: Hast du den Wolf aus dem Film „Wild“ noch mal wiedergesehen? Wie geht es ihm? Was macht der eigentlich, wenn er keine Filme dreht? 

LS: Er lebt in Ungarn auf einer Farm mit seinem Rudel, ich habe ihn nie wieder gesehen. Manchmal träume ich mich zu ihm und wünsche mich in seine Nähe. Er hatte sehr weiche Ohren und roch so wohlig.

Total look GUCCI

CM: Du hast noch nie eine Schauspielschule besucht, ist das gut oder schlecht?

LS: Bei mir hat es ohne geklappt. Fürs Theater ist eine Ausbildung schon was Gutes, denke ich; schon allein, um in den Betrieb reinzukommen. Theaterspielen ist kein leichter Beruf, im Grunde ist es Leistungssport. Man muss jeden Abend auf einer Bühne auftreten, das verlangt Kraft und Mut und Intelligenz und Ausdauer. Das Spielen für die Kamera ist was anderes, dafür braucht es nicht unbedingt eine Ausbildung, im Gegenteil der ungeschliffene, unschuldige Moment kann für die Kamera sehr reizvoll sein.

CM: Welche Bedeutung hat Mode für dich?

LS: Ich liebe die Metamorphose. Mode macht etwas Fremdes aus mir. Ich erinnere mich mal in ein Azzedine Alaïa Kleid geschlüpft zu sein und mich unmittelbar wie eine Aphrodite in einer Muschel gefühlt zu haben – sinnlich und schön und mächtig. Mode, die einen in eine solche Erhabenheit befördert ist etwas Magisches.

Shirt and shorts ALAÏA; Sunglasses CELINE

CM: Was ist dir wichtiger: Geld oder Anerkennung?

LS: Beides sind Fallen und nicht so wichtig. Geld ist natürlich angenehm, wenn man es hat; es beruhigt. Trotzdem habe ich das Gefühl, es ist besser, Geld auszugeben als anzusammeln. An dieser deutschen Philosophie des Sparens ist irgendwas falsch. In Bezug auf Geld lebe ich eher so im Sinne von „nach mir die Sintflut“. Im künstlerischen Raum hat man eh nie Sicherheit was das angeht, um Sicherheit zu haben, müsste ich einen anderen Job machen.

CM: Gibt es ein Erlebnis aus der Wannsee-Produktion, das du in Erinnerung behalten wirst?

LS: DJ Hell ist für mich ein Held und ich werde niemals vergessen, wo wir uns kennengelernt haben: am Wannsee!

(Left) Shirt EMPORIO ARMANI and (right) dress, vest and belts CHRISTIAN DIOR

Title image: Dress and earring CHANEL MÉTIERS D’ART 2020/21

Photos: Konrad Waldmann

Styling: Markus Ebner

Talents: Lilith Stangenberg and DJ Hell

Produzent und Konzeption: Marcus Kurz / Nowadays

 Location: Strandbad Wannsee und Berliner Ruder-Club E.V.