Beige Ambition

Reklame 04: Burberry's 50 Shades of Beige

Ok, Lana Del Rey für Burberry. Ah, nein, das ist ja doch wieder Kendall Jenner, die nur für einen Moment aussah wie Lana Del Rey. Ob das nun Beleidigung oder Kompliment für die jeweilige Dame wäre, weiß man spontan gar nicht so genau zu sagen, jedenfalls ist der Signature-Lidstrich-über-Schlafzimmer-Blick vielleicht keine gute Idee für eine Kampagne, die unbedingt einschlagen sollte. Schließlich geht es hier um die kritische Post-Corona-Phase, die sich vor allem wegen China zwar positiv anlässt, aber eben nicht so gut wie etwa bei der Konkurrenz von Hermès oder Louis Vuitton. Und damit das schleunigst anders wird, bewirbt die Kampagne die neue Burberry Olympia Bag aka die beste Tisci-Tasche aller Zeiten (O-Ton PR) aka die hoffentlich lang ersehnte Cash-Cow in der traditionell bei den Briten und dem Italiener nicht ganz so abgras-starken Accessoireabteilung (O-Ton Analysten).

Die neue Burberry Olympia Bag

Der seltsam leere Gesichtsausdruck von Jenner wurde auf Instagram und Twitter bereits zerpflückt wie ein Frikassee. Nichts gelernt in all der Zeit habe dieses Möchtegern-Model. Wieso man Star-Fotografen wie Inez und Vinoodh anheuere, die dann so ein uninspiriertes Foto auswählten. Dabei ist Kendall Jenner hier nun wirklich keine Überraschung. Der Kardashian-Spross ist seit Tag 1 in Tiscis Burberry-Shows und Kampagnen vertreten. Bei Givenchy entwarf er bereits für ihre Schwester Kim das Hochzeitskleid (und dieses blumige Schwangerschaftsdress für die MET-Gala 2013, das an einen welken Sofabezug erinnerte). Der 46-Jährige war also – mit Olivier Rousteing von Balmain – der erste Designer, der die Power dieses Clans begriff und für sich und seine Marken nutzte. Insofern kann man sich höchstens wundern, dass Kendall Jenner ausgerechnet auch für Tiscis früheren Arbeitgeber Givenchy die Beine breit macht (rein figurativ gemeint – breites „womanspreading“ ist gerade ihre bevorzugte Pose), aber der Italiener arbeitete schon mit ihr, als Matthew M. Williams noch gar nicht auf der Bildfläche war. 

Britische Musikerin FKA twigs

Womit wir gleich beim entscheidenden Punkt wären: Im Casting ist Tisci ziemlich unschlagbar. Leicht influencerlastig vielleicht (think Irina Shayk, Adriana Lima), aber meistens auf den Punkt. Neben Kendall Jenner wurden für die Olympia-Kampagne noch FKA twigs und die kurvige britische Rapperin Shygirl verpflichtet. Bei den Männern holte er sich vor einer Weile Marcus Rashford in den Trench, der nicht nur zu den bestangezogenen Fußballern gehört, sondern auch der glaubwürdigste Aktivist unter den Kickern ist. Und wer engagierte als Erster die wichtigste zeitgenössische, obendrein gender-inclusive Künstlerin für eine Show-Performance im Wald…? Jene Anne Imhof darf den kompletten Palais de Tokyo mit seinen 22.000 Quadratmetern bespielen. Man kann das „Checking all the boxes“ nennen, aber das versuchen längst alle großen Marken, dann wenigstens die Häkchen bei den richtigen setzen. 

Womöglich kommt darüber manchmal die Umsetzung zu kurz. So richtig aufregend inszeniert ist die Olympia-Kampagne nicht. Teilweise sitzen die drei Frauen auf beigefarbenen Häufchen („a minimalistic backdrop“ O-Ton Burberry), bei denen sich hoffentlich jemand etwas gedacht hat. Was genau bleibt einem aber ebenso verborgen wie bei Pep Guardiolas Aufstellung für das Champions-League-Finale. Aussehen sieht der „Backdrop“ jedenfalls wie Teppichware über Sitzsack. Das Styling hingegen stimmt: Korsagen kann Tisci, schon Billie Eilish sorgte im beigefarbenen Burberry-Body mit Strapsen für ein legendäres Hingucker-Foto der britischen „Vogue“. Auch das Chain-Lining hier unter dem Busen, das in die Träger übergeht, funktioniert. Und, klar, das tiefe Dekolleté auf Bridgerton-Niveau tut sein Übriges. 

Britische Rapperin Shygirl

Interessant ist, wie konsequent Tisci nach wie vor auf Beige setzt. „Burberry owns this colour“, sagte er bei Amtsantritt 2018, und dass er sich den Farbton „einverleiben“ wolle. Damals wusste man noch nicht, wie ernst er das meinte: Den Laden an der Regent Street ließ er mit 19 verschiedenen Beigetönen einrichten, seine Shows sind extrem beige-lastig, die Kampagnen sowieso. Wahrscheinlich träumt Tisci längst farblich in dieser Maggi-Helle-Sauce-Suppe. Aber der Zeitgeist scheint ihm recht zu geben: Der Ton taugt allmählich nicht nur zum eleganten, sondern auch zum feministischen Statement. Angelina Jolie, Billie Eilish oder Meghan Markle tragen „empowertes“ Beige von Kopf bis Fuß, wenn sie komplexer, intellektueller rüberkommen wollen. Schwarz kann ja jede. Zufall, dass Kim Jones bei seiner ersten Show für Fendi im Februar locker so viel Beige und Braun wie sonst Max Mara zeigte? 

Wenn jetzt doch noch Dune mit Timothee Chalamet, Zendaya und sehr viel Wüstensand in die Kinos kommt, wird der Siegeszug des Farbtons wahrscheinlich grenzenlos. Teppichware über Sitzsack, volle Fahrt voraus. 

Kampagne zur Olympia Bag, musikalisch unterlegt von FKA twigs.

All images and video: © Courtesy of Burberry / Inez and Vinoodh