Allein mit der Kunst

Wie Art Visit den virtuellen Museumsbesuch zum VIP-Erlebnis macht

Video von ©Art Visit

Allein im Museum? Wenn auch ungewollt, dank Pandemie war das jetzt möglich. Schnell waren letztes Jahr weltweit Kunst- und Kulturinstitutionen alarmiert ihre jahrelang geplanten Ausstellungen virtuell zugänglich zu machen und so hat die monatelange Schließzeit für die Digitalisierung wie ein Beschleuniger gewirkt.

Einzig und allein die Qualität des virtuellen Rundgangs durch die Musentempel schwankte von einer holprigen Aneinanderreihung Panoramafotos à la Google Streetview, etwa durch das Pergamonmuseum, bis hin zu selbstproduzierten 20-minutigen Kurzfilmen, in denen der Direktor des Museums für islamische Kunst in Berlin fast schwärmerisch durch die Glanzstücke seiner verlassenen Sammlung führt und hier und da das Zwitschern der Vögel herbeifantasiert.

Wie also die „Aura des Authentischen“, die jedem Museumbesuch innewohnt am besten online wiedergeben? Dieser Frage stellen sich seit diesem Frühjahr auch zwei besonders umtriebige Urgesteine der Berliner Kreativszene. Marcus Kurz, Gründer der Kreativagentur Nowadays und Co-Initiator des Berliner Salons, und Tobias Götz, Gründungsmitglied des Berliner Multimedia- und VJ-Kollektivs Pfadfinderei, setzen dabei vor allem auf ein Konzept in dem der:die Besucher:in sowohl die Architektur der jeweiligen Kunstinstitution als auch die dort ausgestellte Kunst virtuell erleben können.

„Jede Ausstellung ist eine Symbiose aus Architektur und Kunst. Und erst wenn man sich durch einen Raum bewegt, entsteht die notwendige Dreidimensionalität um Kunst wirklich wahrzunehmen“, erklärt Tobias Götz und das dies auch das Problem mit den aktuellen Google-Streetview Touren sei, die man derzeit durch die Museen sehen würde. „Ein Panorama Foto ist ein fixer Punkt, an dem man eingefroren ist. Und selbst wenn man von einem Foto ins andere morpht, wirkt das alles künstlich.“ Bewegung heißt also der Schlüssel zum virtuellen Kunstrundgang und so gibt es bei Art Visit statt einer Anreihung an Panorama-Fotos praktisch eine Floating-Video-Fahrt durch die Ausstellung, welche die Realität einfach nachdreht als sie in 3D nachzubauen.

Und noch eine wichtige Komponente kommt hinzu, welche das persönliche VIP-Kunsterlebnis, allein im Museum, perfekt ergänzt. Die Künstler:innen oder Kurator :innen der Ausstellung flüstert einem höchstpersönlich ins Ohr, wie sie die Ausstellung oder einzelne Werke konzipiert haben. Wann sonst hat man schon einmal die Möglichkeit so nah an den Kunstschaffenden zu sein. „Wir schneiden keinen Film zusammen, sondern drehen ein One-Take und dadurch erschließt sich im Kopf, wo man sich befindet und wie der Raum funktioniert. Alles passiert gleichzeitig, wir sehen die Kunst, wir hören die Stimmen der Künstler:innen und wir bewegen uns gleichzeitig im Raum. Das ist genau das, was die Aura eines Museumsbesuchs ausmacht“, sagt Marcus Kurz.

Die Idee zum virtuellen Ausstellungsgang kam Marcus Kurz und Tobias Götz schon 2018. Damals beauftragte das Studio Mario Testino Marcus Kurz damit eine Dokumentation seiner Ausstellung „Undressed“ in der Helmut Newton Stiftung zu produzieren, die wie er erzählt „nicht typisch, sondern anders sei und die Dimension und das Wirken der Bilder im Raum einfangen sollten“. The Bigger Picture? Die meisten Museen arbeiten mit Wechselausstellungen, die in ihren Räumen inszeniert werden, so aber nie wieder erlebbar sein werden, da ein anderes Museum mit anderen Räumlichkeiten und Gegebenheiten eine ganz andere Aura erschafft. Durch die Dokumentation und Archivierung der Wechselausstellung, hat so jedes Museum nach Abbau auf seiner Website oder auch auf einem Screen vor Ort die Möglichkeit diese noch einmal zu zeigen.

Fast 3 Jahre lang haben die beiden einen Roboter entwickelt, der all dies möglich machen soll. Immer wieder durften die beiden hierfür in der Helmut Newton Stiftung drehen, dessen Direktor Dr. Matthias Harder im Laufe der Jahre zum begeisterten Unterstützer des Projekts wurde. Selbstfahrend scannt der Roboter, wie einer dieser Hightech-Staubsauger, den Grundriss des gesamten Museums ein und fährt die Räume eigenständig mit der Kamera ab. Die Geschwindigkeit und die Aufnahme werden dann in einem zweiten Schritt an die Stimme und den Inhalt des:der Künstler:in oder Kurator:in angepasst. Das macht weltweit bisher niemand so.

Irgendwann erzählen Marcus Kurz und Tobias Götz würde man damit gerne zu einer Art Netflix der Kunstwelt werden, eine digitale Library von den wichtigsten Wechselausstellungen weltweit, die man jederzeit auf Art Visit abrufen und noch einmal erleben kann. „Der virtuelle Besuch soll den tatsächlichen Rundgang der Ausstellung nicht ersetzen, sondern ergänzen und archivieren“, fügen Marcus Kurz und Tobias Götz noch hinzu. Vorteile gibt es dennoch: Online stehen die Häuser auch in der Nacht offen, man erhält exklusive Führungen von Kurator:innen und Künstler:innen und wo kann man im Museum schon so nah an ein Kunstwerk ran treten, ohne gleich den Alarm auszulösen? Online passiert das nicht.

Foto und Video: ©Art Visit | Art-visit.com

Künstlerin: Alicja Kwade

Location: Langen Foundation