A50: Saskia Diez

„Es gibt keine Heilige mit meinem Namen.“

Saskia Diez im Interview mit Achtung

A50 sind 50 persönliche Fragen an die Nominierten unserer A50 Liste der wichtigsten Deutschen in der Mode 2019.

Erst war es nur ihr Schmuck, der die Modewelt faszinierte. Schließlich shoppen von Online-Mogul Net-a-Porter bis zu Arthouse-Ikone Tilda Swinton alle ihre Less-is-more-Stücke. Uns fasziniert sie in letzter Zeit aber vor allem auf dem sozialen Modeparkett: La Diez sieht gut aus, netzwerkt wie keine andere und steht mittlerweile sogar auf der Show-Einladungsliste von Chanel.

 

1. Wo fühlen Sie sich Zuhause?
Am Wasser.

2. Mögen Sie Ihren Namen?
Ja, und ich finde, er passt zu mir. Die Frau von Rembrandt hieß so, sie inspirierte ihn, sie war unangepasst, sie hatte einen starken Willen. Auch wenn sie ein schweres Schicksal hatte. Ihre drei ersten Kinder hat sie kurz nach der Geburt verloren, erst das vierte überlebte. Sie selbst starb jung. Als kleines Mädchen, als meine Mutter mit mir und meinen Brüdern ins katholische Bayern zog, habe ich mich für meinen Namen geschämt, niemand hieß so, es gab keine Heilige mit diesem Namen, keinen Namenstag oder Namenspatron, Dinge, die auf einmal eine Rolle spielten. Aber ich war immer auch stolz, weil ich das Gefühl hatte, einen besonderen Namen zu tragen.

3. Ihr bestes Arbeitsoutfit?
Jeans, T-shirt, Schmuck.

4. Sind Sie pünktlich?
Ja.

5. Ihr letzter Urlaub?
Im Sommer vor zwei Jahren war ich drei Wochen mit meinen Kindern im Alentejo in Portugal, wo der Atlantik weit ist und rau. Letztes Jahr an Pfingsten ein paar Tage in einem kleinen Chateau an der Ardèche, chambre d´hôte. Das war eher ein langes Wochenende und kein richtiger Urlaub, aber seitdem hätte ich auch gerne so ein Chateau.

6. Wovor fürchten Sie sich?
Vor Abhängigkeit.

7. Was möchten Sie noch erreichen? Wovon träumen Sie?
Alle Menschen, die ich verehre, sollen Schmuck von mir tragen und lieben. Und ich hätte gerne auch so ein kleines Chateau in Südfrankreich. Das sind natürlich romantische Vorstellungen, aber schöne. Und es gibt natürlich wichtigere Dinge. In Frieden zu leben zum Beispiel, von Liebe umgeben, idealerweise. Gesund und frei.

8. Haben Sie studiert? Wenn ja was?
Ich habe erst ein paar Sachen angefangen. Ich wusste nicht wirklich, was aus mir werden könnte: Politikwissenschaften, Germanistik, Französisch, Holländisch. Dann habe ich eine Goldschmiedelehre gemacht und danach Industrial Design studiert.

9. Was war Ihr erster Job?
Mit zwölf als Babysitterin, mit 13 an der Kasse in dem kleinen Supermarkt in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. An der einen Hauptstrasse, die natürlich eine Durchgangsstrasse war. Einmal stand Gerhard Polt mit einem Freund an der Kasse und sie haben sich darüber gestritten, wer bezahlt. Er war genau wie auf der Bühne.

10. Schlimmster Job den Sie je hatten?
Nichts, was man wirklich schlimm nennen könnte. Mit 15 war ich mal eine Woche lang in den Herbstferien Komparsin. Als Publikum für die Aufzeichnung einer Fernseh-Show. Man musste eine Woche lang das gleiche tragen und immer bei denselben Witzen lachen.

11. Was mögen Sie an Ihrem Job?
Meine Arbeit bringt mich mit vielen besonderen Menschen zusammen. Ich bin auf wunderbare Art mit ihnen verbunden, wenn sie Schmuck von mir tragen, weil Schmuck immer etwas sehr Persönliches ist. Er ist aufgeladen durch die Situation, in der man sich den Schmuck geleistet oder in der man ihn von jemandem bekommen hat. So bin ich Teil von vielen Geschichten und Ereignissen, von Verbindungen und oft von Liebesgeschichten. Das mag ich sehr. Das Gefühl, dass ich Leuten etwas geben kann, das sie glücklich macht oder mit ihrem Glück verknüpft ist.

12. Größte Stärke?
Ich bin ein Schwamm.

13. Größte Schwäche?
Ignoranz meiner Grenzen.

14. Ohne welche App können Sie nicht mehr leben?
Oh ich habe mich schon an einige Funktionen sehr gewöhnt und in meinem Alltag kommen sie dauernd zum Einsatz. Fotoapparat, Fotoalben, SMS, WhatsApp, Instagram. Der Kalender, der Wecker. Asana, worin das Team viel organisiert. Ab und zu das Telefon zu Hause vergessen ist ganz angenehm.

15. Welches Bild ziert ihren Bildschirmschoner?
Eine Illustration von Laura Callaghan, die sie vor ein paar Saisons für mich gemacht hat. Zwei Frauen, beide tragen nicht viel mehr als meinen Schmuck. Die eine pustet in eine Pusteblume, beide schauen irgendwohin. Wir hatten die Illustrationen für ein paar Anzeigen in diversen Kunstmagazinen verwendet. Die Reaktionen waren erstaunlich kontrovers. Einige Männer fühlten sich seltsam heftig vor den Kopf gestoßen.

 

Die akutelle Kollektion von Schmuckdesignerin Saskia Diez.

Ohrringe von Saskia Diez, fotografiert von Anne Schwalbe für Achtung Mode Nr. 30.

16. Wertvollster Besitz?
Das große Glück, zu lieben, was ich tue.

17. Was liegt neben Ihrem Bett?
Ein Skizzenbuch/Journal. Und die jeweiligen Bücher, die ich gerade lese. Die letzten waren En finir avec Eddy Bellegueule von Édouard Louis, Männer von Johanna Adorján, Serotonin von Michel Houellebecq, die Trilogie von Joachim Meyerhoff. Ein Geschenk von meinem Team, weil es eine kleine Parallele gibt – bevor ich in die Schule kam, als meine Eltern noch zusammen waren, haben wir auch auf einem Psychiatrie-Gelände gewohnt, weil meine Eltern da als Ärzte gearbeitet haben. Eine dieser Anlagen aus der Gründerzeit, auf der grünen Wiese im Nirgendwo. Zu der Zeit war es wohl schwierig, Personal in diesen Gegenden zu finden und man lockte Ärzte mit verschiedenen Annehmlichkeiten dorthin. Wir wohnten für fast kein Geld in der riesigen Ärztevilla, regelmäßig kam eine Gruppe Patienten, die den Garten herrichtete. Mein Kuscheltier war ein Leopard, den ein Patient in der Beschäftigungstherapie genäht hatte. Den nahm ich überall mit hin, bis das Fell nur noch blanker Stoff war. Nur an ein paar versteckten Stellen hat der Stoff noch ein paar weiche Härchen.

18. Wann haben Sie das letzte Mal geweint?
Letzte Woche, auf der Bestattung von Carl Jakob Haupt.

19. Und zu Tränen gelacht?
Am Tag darauf habe ich mir noch mal Toni Erdmann angeschaut.

20. Das meist überschätzte Produkt?
Küchenmaschinen, die alles können.

21. Persönliche guilty pleasures?
Den Rest Pasta vom Abendessen beim Nach-Hause-Kommen nach dem Ausgehen direkt aus dem Topf essen. Im Hamam auf heißem Marmor herumliegen und sich eindampfen lassen. Tagträumen.

22. Welche Serie zuletzt geguckt?
Goliath, Big Little Lies, Sharp Objects.

23. Welches Auto fahren Sie?
Taxi, DriveNow, manchmal einen Leihwagen im Ausland.

24. Was wollten Sie (als Kind) eigentlich werden?
Als kleines Kind wollte ich Schmuck machen. Ich hatte zu Weihnachten eine Rolle versilberten Messingdraht, Perlen und eine Allzweckzange bekommen. Mehrere Jahre war das meine liebste Beschäftigung. Mein Taschengeld habe ich für Perlen ausgegeben, habe Schmuck gebastelt, den ich nicht trug. Eine zeitlang wollte ich Hörspielsprecherin werden und es gibt sogar ein paar Stücke, in denen ich gesprochen habe. Ich liebe Stimmen und ich konnte lange nur mit Hörspielkassetten einschlafen.

25. In welcher Dekade wären Sie stilistisch am besten aufgehoben? 
Jetzt, hoffentlich.

26. Ihre Meinung: Deutschland und die Mode?
Echte Mode ist hier eher eine Randerscheinung.

27. Ein Satz, der Sie geprägt hat?
„Wenn du da so rumstehst, mit deinen langen Haaren und deinen großen Augen, da musst du dich nicht wundern.” Wie genau der Satz weiter ging, weiß ich nicht mehr, aber ich weiß noch den Ton, denn es ging natürlich irgendwie in Richtung Mädchenbonus, Nicht-für-Voll-Genommen-Werden, solche Dinge. Das hat einer meiner Brüder zu mir gesagt, als ich zwölf oder 13 war. Dann hab ich mir die Haare abgeschnitten. Da der Friseur das nicht machen wollte, hab ich es selbst getan.

28. Ihr bisheriges Karriere-Highlight?
Die schönsten Momente sind die, in denen ich das Gefühl habe, etwas zu machen, das richtig ist, so wie es ist, weil es etwas zum Ausdruck bringt, das in der Luft liegt.

29. Karriere-Low?
Ich habe Glück. Natürlich gibt es laufend kleinere und größere Krisen, den ganz normalen Wahnsinn. Oft muss man Ruhe bewahren, flexibel sein. Es ist eben nicht alles berechenbar. Weder Menschen, noch Maschinen. Produzenten werden krank, Maschinen gehen kaputt, Leute streiten, Produktionsfehler schleichen sich ein, Dinge werden vergessen, Bestellungen falsch aufgegeben, in falsche Pakete gepackt, Materialpreise steigen, Grippewellen schlagen zu, Produzenten machen zu, weil es keine Nachfolger gibt, handwerkliches Wissen verschwindet, Kunden können schwierig sein, manche gehen pleite, bevor sie einen bezahlt haben. Dinge gehen eben manchmal einfach schief. Aber wenn man gute Verbindungen pflegt, kann man vieles retten. Diese goldenen Jahre, von denen diejenigen oft erzählen, die länger im Geschäft sind, habe ich ja aber auch gar nicht mehr miterlebt. Die Zeit, in der anscheinend alles immer glatt lief, die Budgets riesig waren und vieles von alleine lief, wenn es erst mal los ging. Als ich angefangen habe, hat gerade die Lehman-Brothers-Pleite alles lahm gelegt, die Pariser Modewoche war ein Totentanz. Andererseits habe ich dadurch von Anfang an ein paar Lektionen gelernt: dass man sich darauf konzentrieren muss, seine eigene Stärke aufzubauen und dass man von außen nicht viel Verlässlichkeit oder Sicherheit erwarten kann. Also habe ich gleich meinen eigenen kleinen Laden eröffnet und meine eigene Online Boutique dazu, die ich selbst programmiert habe. Schließlich hat man meistens wenig Ressourcen zur Verfügung, wenn man anfängt, außer eben den eigenen. Und ich habe Schmuck entworfen, der erschwinglich ist, und trotzdem kein Modeschmuck, den man sich selbst kaufen kann, auch, wenn man gerade nicht irre reich ist. Im Grunde habe ich immer für mich selbst entworfen. So, wie ich die Dinge gerne haben wollte, und so, wie ich sie mir leisten konnte.

 

Tasche von S. Diez. Foto: Timo Wirsching für Achtung Mode Nr. 37.

Armband von S. Diez. Foto: Jonas Unger für Achtung Mode Nr. 31.

30. Wie viele Leute arbeiten für Sie?
So um die 20. Drei davon voll, der Rest mit unterschiedlichen Stundenkontingenten. Meistens sind so sechs bis acht zeitgleich da, in unterschiedlichen Zusammenstellungen.

31. Wie groß ist ihr Büro? 
Ungefähr 120qm.

32. Pflanzen im Büro?
Blumen ab und zu, Pflanzen auf dem Balkon.

33. Was schätzen Sie an sich selbst?
Ich kann mir Sachen beibringen, Dinge aufgreifen, Stimmungen, Wünsche. Und einen Schritt zurück gehen, von außen auf etwas schauen, auch auf mich selbst.

34. Ihr letzter wertvoller Gedanke? 
Das brauche ich nicht.

35. Ihr liebstes deutsches Wort?
Ja.

36. Tanzen Sie?
Natürlich.

37. Ihr Duft?
Meistens benutze ich gar kein Parfum. Und wenn doch, dann mag ich Gold und Silber sehr, die Düfte, die Geza Schön für mich gemacht hat. Und ich mag Phylosophikos immer noch, diesen Feigenduft.

38. Ihre erste Schallplatte?
Madonna – True Blue.

39. Was halten Sie von der großen Liebe?
Liebe ist immer groß.

40. Ihr Lieblingsfrauenname?
Selma und Helena.

41. Ihr Lieblingsmännername?
Nikolaus.

42. Der Held ihrer Kindheit?
Captain Future.

43. Die Namen Ihrer Eltern?
Margot Schamberger, Rudolf Groenewolt.

44. Was machen diese beruflich?
Psychoanalytiker. Beide arbeiten noch.

45. Ihr Geburtsort?
Kranenburg, obwohl meine Eltern nicht dort gelebt haben. Wahrscheinlich war meine Mutter auf dem Weg irgendwohin dort in der Nähe. Ich war eine Sturzgeburt und kam viel zu früh.

46. Wo wohnen Sie jetzt und warum?
In München im Glockenbachviertel, gleich an der Isar, in der Nähe der Weideninsel. Da ist eine tiefe Stelle, in der man gut gegen den Strom schwimmen kann, bevor man sich ein Stückchen treiben lässt. München ist eine gute Basis, man kann konzentriert arbeiten, es ist sehr grün, man ist gleich in der Natur. Und man ist schnell woanders.

47. Auf was sind Sie besonders stolz?
In dem Umfeld, das ich bestimmen kann, versuche ich so gut ich kann, Bedingungen zu schaffen, wie ich sie richtig finde und ich glaube, das gelingt mir ganz gut. Wir sind flach und schlank aufgebaut, die Atmosphäre ist freundschaftlich, man verbringt ja so viele Stunden miteinander, wir wollen alle eine gute Zeit haben. Wir pflegen enge Beziehungen zu unseren verschiedenen Produzenten, wir versuchen, möglichst nachhaltig zu sein und zu produzieren, vieles in Lauf- oder Fahrradentfernung. Sobald man etwas größer wird, bekommen ja auch kleine Dinge ein grösseres Gewicht. Die Verantwortung steigt, gleichzeitig ist auch mehr möglich, weil man sich mehr leisten kann. Es gibt zum Beispiel von großen Wholesale-Kunden die Bestimmung, dass wir den Schmuck in kleinen durchsichtigen Tütchen liefern müssen, zusätzlich zur Umverpackung. Irgendwann ist mir aufgefallen, wie viel Plastik wir da auf einmal in den Umlauf bringen. Letztes Jahr haben wir endlich einen Produzenten gefunden, der uns diese Tütchen in unseren Formaten aus kompostierbarer Folie, die aus Gras gefertigt wird, herstellt. Wir produzieren so lokal wie möglich, nicht nur den Schmuck. Unsere Geschenkverpackungen werden in München hergestellt, die Schmuckdosen in Ostdeutschland.

48. Was ist Ihnen peinlich?
Manchmal komme ich mir unpassend vor, ungelenk.

49. Haben Sie Familie?

Ja, ich habe drei Kinder. Alle drei haben gerade die gleiche Schuhgröße wie ich, obwohl jeweils zwei Jahre zwischen ihnen liegen. Sie sind wunderbar, eigen, neugierig.

50. Was wollen Sie unbedingt noch lernen?
Letztes Mal in Portugal stand ich das erste mal auf einem Surfbrett. Das war sehr lustig, aber ich bin dauernd runter gefallen. Und ich könnte es gerne besser.