Zugegeben ein wenig ironisch, dass es so passieren musste. Große Insolvenz Schlagzeilen: Das größte und geschichtsträchtigste Kaufhaus Deutschlands hat finanzielle Probleme –  ein paar Tage vor der Berliner Modewoche. Women’s Wear Daily widmete dem Insolvenzfall des KaDeWes eine ganze Seite, gab aber gute Ausblicke. Also stand die BFW nun doch nicht ganz unter einer grauen Wolke, zumindest metaphorisch nicht. Wörtlich natürlich schon, aber Berlin halt. Wir waren unterwegs, Fotografin Sarah Willmeroth mit im Gepäck. Hier unsere Gedanken.

Olivia Ballard

Wahl-Berlinerin Olivia Ballard die nun im dritten Jahr währen der Berliner Modewoche zeigt, lud für ihre verschlafene Schau ins Pressecafé am Alexanderplatz ein. Neuartig für die gebürtige New Yorkerin, die Jahre zuvor musste man zu ihren Locations immer weit gen die Stadtgrenzen der Hauptstadt pilgern. „Le Lit“ taufte Ballard ihre Kollektion passend. Angefangen bei der Stoffauswahl über Styling à la Federn im Haar und Kissen die als Accessoires dienten. Viel Jersey, bisschen Satin, Seide und Kaschmir, viel Pyjama-Tartan und Drapierungen, die nach einem Bettlacken aussehen, das bestimmt auf gute acht Stunden schlaf kam.

Intervention, Gerrit Jacob & back2back

Danach ging’s nach Neukölln, genauer in den leer stehenden C&A an der Karl-Marx-Straße. Reference Studios Gründer Mumi Haiati hat dort ein neues Format auf die Beine gestellt: Intervention. Nationale und internationale Designer:innen bekommen hier die Plattform um den offiziellen Kalender der Berlin Fashion Week mit zu gestalten. Startschuss bei Intervention war das Debüt von Gerrit Jacob der sich mit seinen expressiven Airbrush Prints einen Namen macht. Gefolgt vom Debut des Labels back2back, welches unter Zusammenarbeit von Marcelo Alcaide & Yolanda Zobel entstand, die sich während ihrer Zeit bei Courrèges kennenlernten. Die beiden präsentierten Kleiderschrank-Klassiker wie Bomber Jacken, Overalls und Trenchcoats mit Fokus auf Rekonstruktion und unkonventionellen Silhouetten.

Der Berliner Salon

Der Berliner Salon stellte dieses Jahr 39 aufstrebende und etablierte Modemacher:innen und Handwerksbetriebe aus. Unter der Kuration und Leitung von Christiane Arp, Vorstandsvorsitzende Fashion Council Germany und Marcus Kurz, Geschäftsführer von Nowadays wird hier der Fokus auf Nachhaltigkeit und exzellentes Handwerk gesetzt. Highlights sind die in Paris lebende Strick-Meisterin Cécile Feilchenfeldt, die mit ihren Hüten für die Dior Men S/S 2024 Kollektion anwesend war und Central-Saint-Martins-Studentin Paula Dischinger, die mit einem Entwurf aus ihrer Zeit an dem Institut Français de la Mode in Paris einen Preis des German Fashion Councils gewann.

William Fan

Auch William Fan griff wie Ballard das Thema Freizeitbekleidung auf. Der erneute Gewinner des Berlin Contemporary-Preises lockte sein Publikum jedoch etwas weiter außerhalb, in die Aufwärmhalle des Olympia Stadions. Hier wurde in reduziertem Ambiente seine OFF DUTY Kollektion an einem Mix aus professionellen und street-gecasteten Models gezeigt, die sich durch die Reihen aus Freischwingern schlängelten. OFF DUTY hieß: Weite Silhouetten, strukturierte Baumwolle und unkomplizierte Komplettlooks in verwaschenen Farben. Fans Kollektionen mögen auf den ersten Blick etwas leiser als andere Berlin Fashion Week Produktionen daherkommen – doch gerade seine Ernsthaftgekit und Gewissenhaftigkeit machen ihn zu einem Fixpunkt der Woche und geben ihm internationale Relevanz. OFF DUTY fühlte sich lässig an, der Soundtrack war episch und William Fan schien unter Standing Ovations sehr zufrieden.

Anonymous Club

Wieder zurück bei Intervention zeigte Shayne Oliver im vierten Stock seine Anonymous Club Kollektion. Streetwear – natürlich – aber in Olivers typischer Manier: Großzügige Jersey Silhouetten unter denen Gummi-Strumpfhosen hervorblitzten, die den Models Mega-Muskeln verliehen, haarige Hasen-Ohr-Hüte, All-over Leder Looks, Hosenbünde die bis über die Brust gezogen werden um als Jumpsuits zu funktionieren und verkorkste Doppelkeil High Heels. Mit einem cooler als coolen Casting, darunter Stefano Pilati mit Frankenstein-esque SFX Make-Up gab Shayne Oliver dem ersten Tag der Berlin Fashion Week ein gebührendes und „very Berlin“ Ende. Backstage haben wir den Designer nach der Schau gebeten uns drei Worte über seine Kollektion zu geben. „Content, Blessed and Optimistic“. Und drei Worte zur nächsten? „Power, Aligning and …Paris“.